Wissenschaftler der Universit?t Paderborn warnt vor Talentlücke
Keine Wettk?mpfe, kaum Training und wenig Motivation: Weltweit bremst die Corona-Pandemie den Nachwuchs(leistungs)sport aus. Prof. Dr. Jochen Baumeister, Leiter der Arbeitsgruppe Trainings- und Neurowissenschaften im Department Sport & Gesundheit der Universit?t Paderborn, warnt vor einer ?gravierenden Talentlücke, die sich über nahezu alle Sportarten erstrecken wird“. Durch die Absage von Meisterschaften und das Aussetzen des Ligabetriebs fehle es vielen Nachwuchssportler*innen an Wettkampfpraxis. Das wirke sich verheerend auf die Leistungsentwicklung aus: ?Durch die Schlie?ung von Sportanlagen k?nnen die jungen Sportler*innen nicht sportartspezifisch trainieren und es fehlen schlichtweg die Alternativen“, sagt Baumeister. Besonders betroffen seien die Hallen-Mannschaftssportarten wie Hand- und Basketball oder Hockey. Auch der Schwimmsport leide unter der Schlie?ung der Hallenb?der.
Prof. Dr. Miriam Kehne, Leiterin des Arbeitsbereiches Kindheits- und Jugendforschung im Sport an der Universit?t Paderborn, befürchtet, dass dies mitunter auch zu Motivationsproblemen führt: ?Wir gehen davon aus, dass sich die Pubert?tsfalle im Leistungssport noch versch?rft. Auch ohne Pandemie verlagern sich die Interessen von Jugendlichen in der Pubert?t oftmals weg vom Sport und das betrifft in erster Linie M?dchen. Die sogenannten Drop-Out-Raten werden durch die Einschr?nkungen im Wettkampfsport weiter steigen.“
Die beiden Wissenschaftler raten daher, ?ffnungskonzepte zu entwickeln, die so viel Sport wie vertretbar erm?glichen. ?Einzelne Vereine sind hier schon auf einem guten Weg“, sagt Baumeister. ?Trainer*innen sind mitunter sehr kreativ, wenn es darum geht, Kinder und Jugendliche durch virtuelle Sportangebote in Bewegung zu halten. Das ersetzt aber nicht das Training in der Sportart. Alle Beteiligten des organisierten Sports müssen jetzt unkonventionell nach L?sungen suchen, die nach Wiederer?ffnung der Sportanlagen direkt umgesetzt werden k?nnen.“
Leistungsdefizite nur schwer wieder aufzuholen
Baumeister blickt dabei auf eine besondere Gruppe von Nachwuchssportler*innen: ?Der regul?re Sportbetrieb findet seit nunmehr einem Jahr nicht statt. Vor allem die Altersgruppe der Zw?lf- bis Vierzehnj?hrigen k?nnte zu den gro?en Verlierern geh?ren. Denn in diesem Alter wird die Grundlage für sp?ter notwendige situative Bewegungskoordination und damit Technik und Taktik gelegt. Unsere Untersuchungen in Nachwuchsleistungszentren im Handball und Fu?ball zeigen, dass technische und taktische Leistungen unter Zeit- und Entscheidungsdruck darüber entscheiden, ob Kinder und Jugendliche den Sprung in den Leistungssport schaffen. Diese Entwicklungszeit haben die Kinder und Jugendlichen schlichtweg nicht. Um es auf den Punkt zu bringen: Die coronabedingt fehlende Trainingsm?glichkeit führt zu einer Talentlücke mit einem Leistungsdefizit, das sich nur schwer wieder aufholen l?sst. Kinder und Jugendliche müssen so schnell wie m?glich wieder raus aus dem virtuellen Raum und gemeinsam spielen und trainieren.“
Der Wissenschaftler befürchtet, dass das Leistungsniveau der Jugendlichen sportartenübergreifend sinkt, wenn nicht gegengesteuert wird. ?Es müssen innovative Ideen und neue Konzepte her, um die Lücke nicht zu gro? werden zu lassen oder sogar schlie?en zu k?nnen“, so auch Kehne. Wichtig sei, dass für den sportlichen Nachwuchs schon jetzt Pl?ne zur sofortigen Rückkehr zu Training und Wettkampf – sobald diese wieder m?glich sind – entwickelt werden. ?Besondere Zeiten erfordern au?ergew?hnliche L?sungen. Hier k?nnen etwa kleinere Meisterschaftsrunden und vermehrte Trainingsm?glichkeiten auch über den Sommer eine gute Idee sein.“
Text: Heiko Appelbaum