Wel­che Rol­le Ae­ro­so­le bei der ?ber­tra­gung von SARS-Co­V2 spie­len und wie wir uns schüt­zen k?n­nen

 |  Forschung

Team unter Beteiligung eines Paderborner Wissenschaftlers ver?ffentlicht Positionspapier

Welche Bedeutung haben Aerosole bei der Ausbreitung der Corona-Pandemie? Darüber wird seit einiger Zeit heftig diskutiert. Zu Aerosolen forschen Wissenschaftler*innen schon seit Langem. Viele sind in der ?Gesellschaft für Aerosolforschung“ (GAeF) organisiert. Ein Team von zehn Wissenschaftler*innen der GAeF, zu denen Prof. Dr.-Ing. Hans-Joachim Schmid, Inhaber des Lehrstuhls für Partikelverfahrenstechnik an der Universit?t Paderborn geh?rt, hat in einem Positionspapier aus Sicht der Aerosolforschung den aktuellen Wissensstand und Empfehlungen zum Schutz vor dem Virus zusammengetragen. Die Forschenden erkl?ren unter anderem, wie die ?bertragung des Virus durch Aerosole abl?uft, welche Masken effizient schützen, warum Gesichtsvisiere alleine nicht helfen und wann Luftreiniger empfehlenswert sind.

?Als Aerosol bezeichnet man ein Gemisch aus Luft mit festen oder flüssigen Partikeln. Es zeichnet sich dadurch aus, dass es sich schnell dynamisch ver?ndert und je nach Gr??e und Art der Partikel sehr unterschiedliches Verhalten zeigt. In der Aerosolforschung werden zum einen in der Umgebungsluft vorkommende Partikel betrachtet, wie z. B. die Bildung von Wolken oder Kondensstreifen, Feinstaub in der Luft von Innenst?dten oder der Transport von Pollen, Bakterien oder Viren in der Atemluft. Gegenstand der Aerosolforschung sind zum anderen aber auch sogenannte ?technische Aerosole‘ bei denen in technischen Prozessen gezielt Partikel erzeugt werden, um spezielle Stoffe und Materialien mit hoher Reinheit herstellen zu k?nnen“, erkl?rt Hans-Joachim Schmid.

Mittlerweile unterstützen 185 internationale Expert*innen das Positionspapier der GAeF, welches mit wissenschaftlich fundierter Begründung Stellung zu den wichtigsten Aspekten nimmt:

? Direkte und indirekte ?bertragung des Virus durch Aerosole: Es ist grunds?tzlich zwischen einer direkten und indirekten ?bertragung zu unterscheiden. Die direkte ?bertragung geschieht über relativ gro?e Tr?pfchen, die Viren enthalten, die über relativ kurze Strecken auf direktem Weg vom Infizierten zum Empf?nger gelangen. Hingegen geschieht die indirekte ?bertragung durch sehr kleine Partikel, die Viren enthalten und die sich mehrere Stunden in der Luft halten und sich in Innenr?umen in relativ kurzer Zeit auch über gro?e Strecken ausbreiten k?nnen.

? Keine der aktuellen Hygiene- und Schutzma?nahmen kann alleine funktionieren: Das Zusammenspiel der verschiedensten Ma?nahmen ist nach derzeitigem Wissensstand der beste Weg zur Minimierung des Infektionsrisikos.

? Abstand halten ist wichtig: Mit zunehmendem Abstand zu anderen Personen gibt man gro?en Tropfen die M?glichkeit, zu Boden zu sinken und kann somit die direkte ?bertragung des Virus durch Aerosole vermeiden. Auch in der Atemluft enthaltene feine Aerosolpartikel, die Viren enthalten, werden mit wachsendem Abstand durch die Umgebungsluft verdünnt. Der vielfach vorgeschriebene Mindestabstand kann als Anhaltspunkt dienen, sollte aber insbesondere bei la?ngeren Zusammenku?nften und in Innenra?umen vergro??ert und unbedingt durch weitere Ma?nahmen erga?nzt werden.

? Masken helfen: Auch einfache Mund-Nasen-Bedeckungen k?nnen einen Teil der ausgeatmeten Partikel (und Viren) zurückhalten. Denn: Atmen alleine reicht, damit infizierte Personen Viren als Aerosol verbreiten. Durch Verwendung von Masken sinkt die Konzentration der ausgeatmeten Partikel in einem Raum und damit das allgemeine Infektionsrisiko. Hierbei ist zu beachten, dass die ausgeatmeten Aerosolpartikel durch anhaftende Feuchtigkeit deutlich gr??er als Viren sind und somit auch von einfachen Masken zumindest teilweise zurückgehalten werden k?nnen.

Da diese Partikel aber in der Raumluft rasch trocknen und daher wesentlich kleiner werden, sind einfache Mund-Nasen-Bedeckungen für den Selbstschutz weniger effizient. Hier sind Atemschutzmasken erforderlich, die auch für feine Partikel eine hohe Abscheidung zeigen, z. B. Atemschutzmasken der Klassen FFP2, N95 oder KN95. Diese sind sowohl für den Selbst- als auch für den Fremdschutz effizient, sofern sie über kein Ausatemventil verfügen. Masken mit Ausatemventil dienen hingegen nur dem Selbstschutz und widersprechen daher dem Solidarit?tskonzept, nachdem Mitmenschen durch kollektives Maskentragen geschützt werden.

? Gesichtsvisiere, die ohne zus?tzliche Verwendung von Masken eingesetzt werden, sind mit Blick auf die indirekte ?bertragung des Virus durch Aerosolpartikel praktisch nutzlos, da die Luft mit Partikeln (und Viren) ungefiltert um die Visiere herumstr?mt. Gesichtsvisiere werden im klinischen Alltag zus?tzlich zu Masken getragen, um eine Tro?pfcheninfektion u?ber die Schleimha?ute der Augen zu verhindern. ?hnliches gilt für mobile oder fest installierte Plexiglasbarrieren. Gesichtsvisiere und Plexiglasscheiben dienen im Wesentlichen als Spuck- und Spritzschutz gegenüber gro?en Tr?pfchen.

? Lüften von geschlossenen R?umen: Im Freien finden so gut wie keine indirekten Infektionen über Aerosole statt. In geschlossenen R?umen ist Lüften unerl?sslich, um die ausgeatmete Luft in einem Raum durch frische Luft von drau?en zu ersetzen. Sto?- und Querlüften sind dabei ?hnlich wirksam wie dauerhaftes ?ffnen des Fensters, aus energetischer Sicht insbesondere im Winter allerdings wesentlich effizienter. CO2-Monitore werden h?ufig als Indikatoren für erforderliches Lüften empfohlen, sind aber kein direktes Ma? für die Virenbelastung durch Aerosole. Der Grenzwert müsste daher eigentlich auf die jeweilige Situation individuell angepasst werden und selbst die Einhaltung der vorgeschlagenen CO2-Grenzkonzentrationen kann Infektionen durch unmittelbar benachbarte Personen nicht verhindern.

? Luftreiniger k?nnen einen sinnvollen Beitrag leisten, um die Partikel- und Virenkonzentration in einem Raum zu reduzieren. Bei der Beschaffung von Luftreinigern muss darauf geachtet werden, dass diese für den angedachten Anwendungsfall ausreichend dimensioniert sind, um die Partikel- und Virenlast auch wirklich signifikant zu verringern. Der Luftdurchsatz des Ger?tes ist hier wichtiger als die Effizienz des Filters. Fest verbaute Lüftungsanlagen k?nnen ebenso sinnvoll sein, wenn sie mit 100 Prozent Frischluftzufuhr betrieben werden.

Das vollst?ndige Papier, sowie s?mtliche darin enthaltenen Abbildungen gibt es zum freien Download hier

?ber die ?Gesellschaft für Aerosolforschung“

Die Gesellschaft für Aerosolforschung e. V. (GAeF) wurde 1972 als gemeinnütziger Verein von Pionieren der Aerosolforschung in den deutschsprachigen L?ndern Deutschland, ?sterreich, Schweiz und darüber hinaus gegründet und hat es sich zur Aufgabe gemacht, die wissenschaftliche Aerosolforschung national und international zu f?rdern. Die GAeF organisiert beispielsweise regelm??ig die ?Europ?ische Aerosolkonferenz“ mit bis zu 1.000 Teilnehmenden, zuletzt – erstmals online – im September 2020. Zu den Mitgliedern der Gesellschaft geh?ren neben national und international führenden Forscher*innen auch viele Doktorand*innen sowie Studierende aus allen Aerosolforschungsgebieten (atmosph?risches Umweltaerosol, Aerosoltechnik, Aerosolmesstechnik, medizinisches Aerosol, Grundlagenforschung). Die GAeF hat etwa 350 Mitglieder aus 35 L?ndern, ist in der ?European Aerosol Assembly“ (EAA) mit allen anderen europ?ischen Gesellschaften zur Aerosolforschung koordiniert und in der ?International Aerosol Research Assembly“ (IARA) global vernetzt.

weitere Informationen zur GAeF: www.info.gaef.de

weitere Informationen zur EAA: www.info.gaef.de/eaa

weitere Informationen zur IARA: www.iara.org

?ber den Lehrstuhl für Partikelverfahrenstechnik an der Universit?t Paderborn

Der Lehrstuhl für Partikelverfahrenstechnik unter der Leitung von Prof. Dr.-Ing. Hans-Joachim Schmid besch?ftigt sich mit der gezielten Herstellung, der Handhabung und Charakterisierung partikul?rer Produkte. Dabei werden die drei Forschungsbereiche Additive Fertigung von Kunststoffbauteilen mittels Lasersintern, Flie?verhalten konzentrierter Suspensionen sowie Aerosole bearbeitet. Das Forschungsgebiet Aerosole schlie?t dabei unterschiedliche Projekte ein, wie die gezielte Herstellung nanoskaliger Materialien in Aerosolprozessen, die Simulation der dynamischen Ver?nderung von Aerosolen, die Abscheidung von gas- und partikelf?rmigen Bestandteilen aus Abgasen von Holz- und Biomasse-Feuerungen oder die Entwicklung eines neuen Messverfahrens zur Charakterisierung von komplexen Aerosolpartikeln.

Vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie setzt der Lehrstuhl seine Expertise ein, um Untersuchungen zur Wirksamkeit und Regenerierbarkeit von Atemschutzmasken, zur Ausbreitung von Aerosolen in Innenr?umen verschiedener Gr??e sowie zur Wirksamkeit von Raumluftreinigern durchzuführen.

weitere Informationen zum Lehrstuhl gibt es hier.

Prof. Dr.-Ing. Hans-Joachim Schmid; Simon Ratmann, Stabsstelle Presse, Kommunikation und Marketing

Foto (Gesellschaft für Aerosolforschung)
Foto (Uni Paderborn): Prof. Dr.-Ing. Hans-Joachim Schmid ist seit 2006 Inhaber des Lehrstuhls für Partikelverfahrenstechnik.

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