Forschungsteam wertet Daten über europ?ische Konzerne aus
Frauen verdienen auf Vorstandsebene in gro?en europ?ischen Konzernen durchschnittlich 1,2 Millionen Euro weniger im Jahr als ihre m?nnlichen Kollegen. Die Bezahlung der Vorst?nde h?ngt au?erdem davon ab, ob ein Ressort als ?typisch m?nnlich“ oder eher ?weiblich“ wahrgenommen wird. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Universit?t Paderborn, der Universit?t Tübingen und der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe, die kürzlich in der Fachzeitschrift ?The International Journal of Human Resource Management“ erschienen ist.
Untersucht wurden 84 Unternehmen, darunter auch 16 deutsche, die im Euro Stoxx 50 und/oder im Stoxx Europe 50 gelistet sind. In den beiden Indizes wird die Wertentwicklung der gr??ten europ?ischen Konzerne innerhalb und au?erhalb des Euro-W?hrungsraums abgebildet. Die durchschnittliche Gesamtvergütung für m?nnliche Vorst?nde in den untersuchten Konzernen liegt bei vier Millionen Euro im Jahr, die für weibliche Vorst?nde dagegen nur bei 2,8 Millionen Euro.
Auf der Suche nach den Ursachen für den sogenannten ?Gender Pay Gap“ stie?en die Forschenden auf unterschiedliche Effekte. ?Frauen stehen vergleichsweise h?ufig Ressorts vor, die als ?eher weiblich“ wahrgenommen werden und die im Durchschnitt weniger gut bezahlt sind“, sagte Prof. Dr. Kerstin Pull vom Lehrstuhl für Personal & Organisation der Universit?t Tübingen. Zu den ?eher weiblich“ wahrgenommenen Ressorts geh?rten zum Beispiel der Bereich Personal oder die Unternehmenskommunikation. Als ?m?nnlich“ gelten hingegen Ressorts wie IT. Als ?weiblich“ wahrgenommene Ressorts werden schlechter bezahlt und h?ufiger von Frauen besetzt.
Ob die T?tigkeit in einem Vorstandsressort als ?m?nnlich“ wahrgenommen wird, wurde im Rahmen der Studie anhand einer Befragung ermittelt. Die Umfrage zeigt, dass stereotype Vorstellungen in der Gesellschaft stark ausgepr?gt sind und dass sie mit den tats?chlichen Geh?ltern korrelieren: Je st?rker ein Ressort als ?typisch m?nnlich“ wahrgenommen wird, desto h?her die Bezahlung für dieses Ressort. Allerdings k?nnen Frauen selbst dann keine h?heren Einkünfte erzielen, wenn sie ?typisch m?nnlichen“ Ressorts vorstehen – dieses Privileg bleibt M?nnern vorbehalten.
?Frauen in ?m?nnlichen‘ Ressorts werden als nicht passende Besetzung wahrgenommen. Der klare Gehaltsnachteil ist überraschend, weil Frauen für Vorstandspositionen eigentlich h?nderingend gesucht werden“, so Prof. Dr. Martin Schneider, Professor für Personalwirtschaft an der Universit?t Paderborn. ?Alle Konzerne haben sich Chancengleichheit auf die Fahnen geschrieben und berufen zunehmend Frauen in ihre Vorst?nde. Dass Geschlechterstereotype die Bezahlung von Vorst?nden so deutlich beeinflussen, wird bislang übersehen“, sagte Prof. Dr. Anja Iseke von der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe. ?Dabei ?hneln sich auf Vorstandsebene die Aufgaben der verschiedenen Ressorts stark: alle Vorst?nde müssen gleicherma?en strategisch denken und in das Unternehmen hinein kommunizieren.“
Das Autorenteam hat eine Reihe m?glicher anderer Ursachen für die Einkommensunterschiede untersucht und ausschlie?en k?nnen. Die Qualifikation der Vorst?nde beispielsweise – im Fachjargon ?human capital“ genannt – kann die Unterschiede nicht erkl?ren, denn die Qualifikation von Frauen in den Vorst?nden europ?ischer Konzerne ist mindestens ebenso hoch wie die der M?nner. Das ergab die Auswertung von LinkedIn-Profilen und Jahresberichten der Firmen.
Das Team der Autor*innen vermutet negative Effekte von Gehaltsunterschieden auf die Entwicklung von Unternehmen. ?Die Bereitschaft zur Kooperation im Top-Management ist bei gro?en Gehaltsunterschieden sicher geringer. Das kann nicht gut für das Unternehmen sein“, resümierte Sarah Diederich von der Universit?t Tübingen. Die Empfehlung der Forschenden lautet deshalb, die Bezahlung zwischen Ressorts und einzelnen Vorst?nden anzugleichen.
Die Bedeutung der Gender Pay Gap-Forschung wurde dieses Jahr durch die Verleihung des Alfred-Nobel-Ged?chtnispreis für Wirtschaftswissenschaften an die ?konomin Claudia Goldin von der Harvard University unterstrichen. Goldin ist erst die dritte Preistr?gerin in der Geschichte dieses Preises.