Paderborner Wissenschaftler*innen forschen an sich aufl?senden Medizinprodukten
Ob Knochenschrauben, Platten oder Stents – t?glich werden in Deutschlands Krankenh?usern Implantate eingesetzt. Nicht selten müssen diese in einer Folgeoperation allerdings wieder entfernt werden, zum Beispiel bei Kindern und Jugendlichen, da sich ihre Knochen noch im Wachstum befinden. Doch jede weitere OP birgt ein Risiko und kostet Geld. Im Jahr 2010 wurden in Deutschland 180.000 Eingriffe durchgeführt, die nur der Entfernung orthop?discher Implantate dienten. Damit ist das die vierth?ufigste orthop?dische Operation überhaupt. Eine m?gliche L?sung: Stents und Co, die nach einigen Wochen oder Monaten – je nach Anwendungsfall – abgebaut und vom K?rper verstoffwechselt werden. Noch sind diese Medizinprodukte selten im Einsatz – an der Universit?t Paderborn arbeitet ein interdisziplin?res Team daran, leistungsf?hige Implantate zu entwickeln.
Die Herausforderung ist, Materialien zu finden, die stabil genug sind und so lange halten, wie der K?rper sie zur Heilung ben?tigt, und die dann problemlos und vor allem kontrolliert abgebaut werden. Im Fokus der Forschung stehen aktuell Eisen, Magnesium und Zink. Reines Eisen l?st sich extrem langsam auf, Magnesium extrem schnell. Zink an sich korrodiert gut, jedoch ist seine Festigkeit oft nicht ausreichend. Forschende weltweit sind auf der Suche nach der perfekten Legierung, dem optimalen Implantat für die jeweilige Anwendung. Dabei müssen neben dem Anwendungsfeld auch Biokompatibilit?t – also die Vertr?glichkeit mit dem K?rper –, Produktion und Herstellungskosten berücksichtigt werden. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) f?rdert verschiedene Projekte in dem Bereich – einige davon werden in Paderborn umgesetzt.
Eisen-Legierungen im Test
An der Universit?t Paderborn forschen Wissenschaftler*innen aus der ?Technischen und Makromolekularen Chemie“ sowie ?Werkstoffkunde“ seit einigen Jahren in diesem Bereich. 365体育_足球比分网¥投注直播官网 haben den Fokus gemeinsamer Arbeiten auf das Metall Eisen gelegt. Das Team untersucht speziell Eisen-Mangan-Legierungen, da reines Eisen viel zu lang zum Aufl?sen br?uchte. ?In Eisen-Mangan-Legierungen sehen wir gro?es Potenzial, da die Kombination aus mechanischen Eigenschaften, Biokompatibilit?t und den Korrosionsraten vielversprechend sind“, erkl?rt PD Dr. Adrian Keller. Doch: Wer medizinische Produkte entwickeln m?chte, muss zwangsl?ufig auch die physiologische Umgebung betrachten. Dafür werden beispielsweise K?rperflüssigkeiten simuliert und die Proben in Experimenten getestet.
In einer kürzlich ver?ffentlichen Studie (doi.org/10.1002/maco.202112841) im Fachjournal ?Materials and Corrosion“ analysierten die Paderborner Wissenschaftlerin Jingyuan Huang und ihre Kollegen die Oberfl?chenkorrosion, also das gewünschte Aufl?sen des Materials, und Ermüdungserscheinungen der Legierung in einer künstlichen K?rperflüssigkeit. Um das im K?rper den Knochen umgebende Gewebe zu simulieren, trugen sie ein Hydrogel auf die Probe auf. Ihr Ergebnis: Diese ?Gewebeschicht“ beeinflusst die Korrosionsgeschwindigkeit zwar nicht ma?geblich, verhindert jedoch den Niederschlag von Korrosionsprodukten wie Oxiden und Phosphate auf der Eisenoberfl?che.
Proteine beeinflussen die Korrosionsrate
Kollegen aus dem Lehrstuhl für Werkstoffkunde arbeiten mit dem Team aus der Technischen und Makromolekularen Chemie an der Herstellung und Analyse neuartiger Legierungen. Für eine Ver?ffentlichung im Fachmagazin ?Corrosion Science“ (doi.org/10.1016/j.corsci.2022.110186) produzierten die Maschinenbauer Implantate mittels pulverbettbasiertem selektiven Laserstrahlschmelzen (engl. Laser PowderBed Fusion, LPBF). ?Bei diesem Verfahren wird metallisches Pulver schichtweise in der Fertigungsanlage abgelegt und lokal von einem Laser aufgeschmolzen. So wird das Produkt Schicht für Schicht aufgebaut und extrem komplexe, filigrane Strukturen mit zum Teil neuen und innovativen Werkstoffen sind realisierbar“, erl?utert Dr.-Ing. Kay-Peter Hoyer.
In dieser Studie verglichen die Forschenden Proben aus reinem Eisen sowohl mit einer Eisen-Mangan-Legierung, die gewalzt wurde, als auch mit einer durch LPBF hergestellten Probe. Die LPBF-gefertigten Eisen-Mangan-Legierungen wiesen die h?chste Korrosionsrate auf. Ein weiterer Fokus lag auf den Prozessen an der Oberfl?che der Implantate. Denn: In K?rperflüssigkeiten wie Blutplasma sind beispielsweise Proteine vorhanden, die in Wechselwirkungen mit der Oberfl?che des Implantats treten k?nnen. Keller erl?utert: ?Wir haben herausgefunden, dass sowohl die Mikrostruktur der Implantate als auch die umgebenden Proteine einen Einfluss auf die Abbaurate der Legierungen haben. Die LPBF-gefertigten Proben haben aus unserer Sicht mehr Chancen, in Zukunft eingesetzt zu werden.“
Neu sind biologisch abbaubare Implantate also nicht – doch bis zum perfekten Produkt ist noch einige Forschung zu leisten. Wissenschaftler*innen aus Paderborn arbeiten daran. ?Genau das ist es, was die Forschung so spannend macht: Es gibt noch so viel zu entdecken und es wird dauern, bis wir die komplexen Prozesse – zum Beispiel an der Grenzschicht zwischen Implantat und der jeweiligen Umgebung – verstanden haben. Besonders wichtig für mich: Dieses Thema ist nicht nur im Labor spannend, sondern für die Gesundheit unserer Gesellschaft relevant“, resümiert Keller.
Weitere Informationen
Der Weltgesundheitstag wurde am 7. April 1954 zum ersten Mal ausgerufen. Ziel der Weltgesundheitsorganisation, die den Tag offiziell ausrichtet, ist es, die ?ffentlichkeit über gesundheitliche Themen zu informieren.
Mehr Informationen sind auf der Website des Weltgesundheitstages zu finden.