Wis­sen­schaft­le­r*in­nen ent­sch­lüs­seln erst­mals At­to­se­kun­den-Kol­li­si­ons­dy­na­mik in Fest­k?r­pern

 |  Forschung

Ergebnisse in Ultrafast Science ver?ffentlicht

Ein internationales Forscher*innenteam aus Deutschland, China, Israel und Vietnam hat die sogenannte Attosekunden-Kollisionsdynamik von Elektronen mit benachbarten Atomen in Festk?rpern entschlüsselt. Damit ist es ihnen erstmals gelungen, Struktur und Dynamik von gewissen in der Bandstruktur verschlüsselten Informationen zu identifizieren. Die Ergebnisse wurden jetzt in der Fachzeitschrift ?Ultrafast Science“ ver?ffentlicht, einem neuen Partner-Journal des renommierten ?Science“-Magazins.

In ihren Simulationen haben die Wissenschaftler*innen mit ?Harmonischen hoher Ordnung“ (HHG) gearbeitet. Auf dem Gebiet der Physik wird damit eine bestimmte, sehr besondere Art von Schwingung mit dem Vielfachen der Grundfrequenz bezeichnet. HHGs sind für die Studie deshalb so wichtig, weil sie zur Erzeugung von Attosekundenpulsen verwendet werden k?nnen, die als ?schnellste Kamera der Welt“ zur Abbildung von Elektronenbewegungen mithilfe der Spektroskopie gelten. Eine Attosekunde ist das Milliardstel einer Milliardstel Sekunde und verh?lt sich damit zu einer Sekunde etwa so wie eine Sekunde zum Alter des Universums. Erst kürzlich wurden HHGs in kristallinen Festk?rpern beobachtet, was ein gro?es Potenzial für kompakte Attosekunden-Lichtquellen und die Bestimmung der Bandstruktur von Festk?rpermaterialien mit sich bringt. Die Bandstruktur beschreibt die Zust?nde von Elektronen und L?chern eines kristallinen Festk?rpers. Damit gibt sie Aufschluss über die Beschaffenheit seiner elektronischen Struktur. Als Loch wiederum wird der positive Ladungstr?ger in Halbleitern bezeichnet. Es ist die Stelle, an der sich zuvor ein Elektron befunden hat – bevor es sich nach Anhebung auf ein h?heres Energieniveau auf den Weg durch den Festk?rper gemacht hat.

?Viele zugrundeliegende Aspekte der HHG in Festk?rpern sind bislang nicht gut verstanden“, erkl?rt Prof. Dr. Torsten Meier von der Universit?t Paderborn. Diesen Umstand wollten die Physiker*innen ?ndern. Meier beschreibt, worum es bei ihren Simulationen geht: ?Vereinfacht ausgedrückt geht es darum, dass starke elektrische Felder an den Atomen im Kristall bewegliche Elektronen und gleichzeitig L?cher erzeugen. Diese werden anschlie?end beschleunigt und wandern durch den Kristall. Licht bzw. Strahlung entsteht, wenn Elektronen und L?cher sich im Raum treffen – das ist die Kollision – und sich gegenseitig vernichten. Man spricht in diesem Fall von Rekombinieren. Eine wichtige Frage ist nun, ob ein erzeugtes Elektron-Loch-Paar direkt wieder miteinander rekombiniert, oder ob die Rekombination mit anderen Elektronen und L?chern stattfindet. Ebenso ist interessant, wo im Raum die Rekombination passiert und wie die Bewegung der Elektronen und L?cher innerhalb des Kristalls durch die Atome ver?ndert wird. Wir konnten zeigen, dass die ausgesandte Strahlung es erlaubt, wichtige Informationen über die Bandstruktur, also über Bindungen und Bewegungsm?glichkeiten im Kristall zu erhalten.“

Den Wissenschaftler*innen ist es gelungen, die Dynamik von Kollisionen, die in der Bandstruktur verschlüsselt ist, durch die Analyse der erzeugten HHGs in Festk?rpern zu entschlüsseln. Die HHGs waren also in erster Linie ein Mittel zum Zweck. Dazu Prof. Dr. Xiaohong Song von der Shantou Universit?t in China: ?Die Gewinnung detaillierter Informationen über die innere Struktur und die ultraschnelle Dynamik ist ein ewiger Traum von Wissenschaftlern. Normalerweise k?nnen solche Informationen nicht direkt beobachtet werden, sondern werden durch hochaufl?sende Spektroskopie zug?nglich gemacht. Die HHG hat sich hier als nützliches Werkzeug erwiesen. Indem man Materie mit einem intensiven Laserfeld anregt, k?nnen Elektronen freigesetzt werden und es kommt zur Attosekundenstrahlung. Wenn das Elektron unter bestimmten Bedingungen mit dem zugeh?rigen Loch kollidiert, werden hochenergetische Photonen bzw. obere Harmonische emittiert. Photonen sind kleinste Lichtteilchen, aus denen elektromagnetische Strahlung besteht.“

Prof. Dr. Weifeng Yang, ebenfalls von der Shantou Universit?t, erkl?rt: ?Diese Photonen, die typischerweise im UV-Bereich des elektromagnetischen Spektrums liegen, speichern Informationen über die Struktur und Dynamik der Elektron-Loch-Paare. Die HHG-Spektroskopie bietet eine direkte Abbildungsbeziehung zwischen den dynamischen Prozessen von Elektronen und L?chern." Die Wissenschaftler*innen haben au?erdem erstmals gezeigt, dass die Kollision von Elektronen und L?chern mit benachbarten Atomen von dem Impuls abh?ngt, den sie durch das Laserfeld erhalten. ?Wenn das Elektron-Loch-Paar einen gro?en Impuls erh?lt, bevor sich das Laserfeld umkehrt, sodass dessen Wellenl?nge mit der Gr??e des Atoms vergleichbar ist, kommt es zu Kollisionen mit benachbarten Atomen", wei? Ruixin Zuo, ebenfalls von der Shantou Universit?t.

Mit der Arbeit haben die Wissenschaftler*innen nachgewiesen, dass die Kollisionsinformationen bereits in der Bandstruktur kodiert sind. Die Physiker*innen erstellen damit eine eindeutige Zuordnung zwischen der Elektronen-/Loch-Bandstruktur und dem harmonischen Spektrum. Diese Ergebnisse erkl?ren einerseits experimentelle Resultate in einem vereinheitlichten Bild, andererseits kann das gewonnene Verst?ndnis angewendet werden, um Strahlung gezielt ma?zuschneidern und beispielsweise extrem kurze Attosekundenpulse zu erzeugen.

Zum Ultrafast Science-Artikel: https://doi.org/10.34133/2021/9861923

Foto (Universit?t Paderborn, Besim Mazhiqi): Ein internationales Forscher*innenteam hat die sogenannte Attosekunden-Kollisionsdynamik von Elektronen mit benachbarten Atomen in Festk?rpern entschlüsselt. An der Arbeit waren unter anderem Physiker der Universit?t Paderborn beteiligt.

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