No­bel­preis-Ver­lei­hung: Dr. Ger­hard Berth über die Phy­si­k­no­bel­preis­tr?­ger 2019

Heute werden in der schwedischen Hauptstadt Stockholm die Nobelpreise 2019 verliehen – darunter der Nobelpreis für Physik. ?ber die Auszeichnung freuen sich in diesem Jahr Michel Mayor, Didier Queloz und James Peebles. Die Schweizer Mayor und Queloz wurden für die Entdeckung eines Exoplaneten um einen sonnen?hnlichen Stern geehrt, der Kanadier Peebles für seine theoretischen Entdeckungen in der physikalischen Kosmologie. Dr. Gerhard Berth, Wissenschaftler und Dozent für Astronomie im Department Physik der Universit?t Paderborn, ordnet ihre Forschung im Interview ein.

Herr Berth, was ist ein Exoplanet und wie viele dieser Planeten wurden bislang entdeckt?

Berth: Im Allgemeinen versteht man unter einem Planeten ein Objekt, das durch seine eigene Masse eine rundliche Gestalt annimmt und sich auf einer freien Umlaufbahn um einen Stern befindet. In unserem Sonnensystem ist dieses Zentralgestirn die Sonne, die von acht Planeten umkreist wird. Au?erhalb unseres Sonnensystems werden Planeten, die ihren Stern umkreisen, ?Exoplaneten“ genannt und daher auch als ?extrasolare Planeten“ bezeichnet. Bei diesen planetaren Himmelsk?rpern kann es sich sowohl um Gesteins- als auch um Gasplaneten handeln. Seit der ersten Entdeckung eines Exoplaneten im Jahr 1995 durch die Schweizer Physiker Michel Mayor und Didier Queloz sind mittlerweile mehrere tausend solcher extrasolaren Planeten in unserer Heimatgalaxie, der Milchstra?e, bekannt geworden – gr??tenteils sind das Gasplaneten. Insgesamt wurden circa 2.000 gro?e terrestrische Exoplaneten, die sogenannten ?Supererden“, entdeckt und etwa 150 terrestrische Exoplaneten, die kleiner als die Erde sind. Bedenkt man, dass alleine unsere Galaxie aus circa 200 Milliarden Sternen besteht und das beobachtbare Universum mehrere Milliarden ?hnlich gro?er Galaxien umfasst, ergibt sich eine enorme Anzahl m?glicher Planetensysteme. Beim Nachweis von Exoplaneten au?erhalb unserer Heimatgalaxie sto?en wir aktuell an die Grenzen unserer technischen M?glichkeiten – wobei eine Kombination aus der Nachweismethode mithilfe des sogenannten ?relativistischen Mikrolinseneffekts“ und bew?hrten Nachweismethoden vielversprechend scheint.

Wie gelang es Mayor und Queloz, erstmals einen Exoplaneten nachzuweisen?

Berth: Der Nachweis von extrasolaren Planeten stellt gro?e Herausforderungen an das jeweilige Messverfahren, da Exoplaneten in Bezug auf die Beobachtungsentfernung relativ nah ihren alles überstrahlenden Stern umlaufen. Auf Basis fortschreitender Technik gelang es Mayor und Queloz erstmals einen Exoplaneten um einen sonnen?hnlichen Stern nachzuweisen, indem sie die sogenannte ?Radialgeschwindigkeitsmethode“ verwendeten. Bei dieser indirekten Nachweismethode wird die gegenseitige gravitative Beeinflussung, also die Bewegung des Sterns und des Exoplaneten um einen gemeinsamen Schwerpunkt, betrachtet. So l?sst sich in der periodischen ?rtlichen Schwankung des Sterns unter Ausnutzen des sogenannten ?Dopplereffekts“ das erfasste Sternenlicht analysieren. Es ergeben sich dann Ver?nderungen der Wellenl?nge des Sternenlichts in Bezug auf das Beobachtungssystem, die durch einen hochaufl?senden Spektrographen, ein optisches Instrument, erfasst werden. Daraus l?sst sich wiederum direkt die Radialgeschwindigkeit der sich ver?ndernden Sternenposition ermitteln. Mit dieser Methode entdeckten Mayor und Queloz 1995 im Sternbild ?Pegasus“ den etwa 40 Lichtjahre entfernten Exoplaneten ?51 Pegasi b“, einen Gasplaneten, der den sonnen?hnlichen Stern ?51 Pegasi“ uml?uft.

Beim Nachweis extrasolarer Planeten spielt neben der erw?hnten Radialgeschwindigkeitsmethode auch die sogenannte ?Transitmethode“ eine wesentliche Rolle. Beim Transit verdeckt in der Beobachtungsebene der vorüberziehende Exoplanet einen kleinen Teil des Sterns, den er umkreist – was sich im Herabsetzen der erfassbaren Helligkeit ?u?ert und sich durch das immer wiederkehrende Umlaufen des Sterns durch den Exoplaneten als periodische Schwankung im Sternenlicht ?u?ert. In wenigen F?llen kann ein Exoplanet au?erdem durch direkte Beobachtung (Imaging) oder durch das astrometrische Verfahren (Schwankungen senkrecht zur Beobachtungsebene) nachgewiesen werden. Die meisten Exoplaneten konnten bislang mithilfe der Transitmethode und der Radialgeschwindigkeitsmethode nachgewiesen werden. 

Warum ist die Entdeckung der Wissenschaftler für die Physik und die Gesellschaft von Bedeutung?

Berth: Grunds?tzlich befassen sich alle drei Preistr?ger mit existenziellen Fragen der Menschheit: Wo liegt unser Ursprung und wo ist unser Platz im Universum? Wir sind dem Wechselspiel zwischen Wissenschaft, Philosophie und Religion ausgesetzt. Das allgemeine Interesse an der modernen Astronomie und Kosmologie sowie deren gesellschaftliche Akzeptanz bilden die Basis für eine enorme wissenschaftliche Entwicklung: Die Entdeckung des ersten extrasolaren Planeten durch Mayor und Queloz verdeutlichte, dass weitere Sonnensysteme existieren k?nnten, die m?glicherweise Planeten ?hnlich unserer Erde beherbergen. Damit geht etwa die Frage einher, ob wir alleine im Universum sind. Seit der Entdeckung des ersten extrasolaren Planeten wurde die Suche nach weiteren Exoplaneten forciert, einhergehend mit immer genaueren Analyseverfahren und leistungsf?higerer digitaler Auswertetechnik.

Die theoretischen Arbeiten zur Kosmologie von James Peebles wiederum bilden die Grundlage für ein tieferes Verst?ndnis der Strukturentwicklung im Kosmos und zeigen sehr zielgerichtet neue wissenschaftliche Ans?tze auf. Peebles legte somit den Grundstein für nahezu alle modernen theoretischen und beobachtbaren Untersuchungen der Kosmologie und verwandelte diese in eine eigenst?ndige Wissenschaftsdisziplin. Gerade diese ursprüngliche Faszination astronomisch-kosmologischer Aspekte, die vom zun?chst ?Unbegreiflichen“ ausgeht, vermischt sich mit fortschreitenden Erkenntnissen auf den Gebieten der modernen Astronomie und Kosmologie.

Was sind die zentralen Aussagen der kosmologischen Theorie von James Peebles und wie brachten sie die physikalische Forschung voran?

Berth: Die umfassende theoretische Arbeit des US-amerikanisch-kanadischen Wissenschaftlers James Peebles besch?ftigt sich mit zentralen Aspekten der Strukturgestaltung im Kosmos. Ausgehend vom Urknall wird die Entwicklung als Ganzes hin zum modernen Universum beschrieben. Peebles kosmologische Theorie setzt am Beobachtungshintergrund an und untermauert viele aktuell gültige Theorien, wirft aber darüber hinausgehend neue Fragen auf, wie beispielsweise die nach der Existenz dunkler Materie und dunkler Energie.

Aufgrund seiner vielschichtigen Beitr?ge zur modernen Kosmologie kann die Vergabe des Nobelpreises als Anerkennung des wissenschaftlichen Lebenswerks von James Peebles verstanden werden. So arbeitete er beispielsweise an der theoretischen Beschreibung der sogenannten ?primordialen Nukleosynthese“. Diese setzte etwa eine Sekunde nach dem Urknall mit der Bildung von Atomkernen durch Kernfusion ein. Ein weiteres Ausdehnen des Universums führte dann zum Abkühlen des Urplasmas auf circa 3.000 Kelvin und erm?glichte so das Einfangen von Elektronen, was das Universum transparent für Licht machte. Mithilfe von Peebles Beschreibung lassen sich Aussagen über die leichtesten chemischen Elemente und Stoffe in der Frühphase des Alls treffen.

Daneben postulierte Peebles bereits in den 1960er Jahren die sogenannte ?isotrope kosmische Hintergrundstrahlung“, interpretiert als Reststrahlung des hei?en Urplasmas, deren Wellenl?nge durch die Entwicklung der Raumzeit in den Mikrowellenbereich gedehnt wurde. Verknüpft mit seinen Beitr?gen zur Bildung der Struktur des frühen Universums und der gro?en Strukturen im All, wirft Peebles auch die Fragestellung nach dunkler Energie beziehungsweise dunkler Materie auf. Dieser wird heute zugeschrieben, dass sie der Expansion des Universums entgegenwirkt und somit Galaxien und gr??ere Strukturen zusammenh?lt.

Foto (Philipp Zieger/flickr/CC BY-NC-ND 2.0, https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/2.0)
Foto (Nobel Media 2019. Illustration: Niklas Elmehed): Die Physiknobelpreistr?ger 2019: V. l. Prof. Dr. James Peebles, Prof. Dr. Michel Mayor und Prof. Dr. Didier Queloz.

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