The­men­spe­ci­al ?A­r­beit 4.0“

Halbzeit beim Wissenschaftsjahr: ?Arbeitswelten der Zukunft“ lautet das Motto, unter dem das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) ausgew?hlte Projekte zur Thematik f?rdert und deren Relevanz so der allgemeinen ?ffentlichkeit zug?nglich macht. Durch Digitalisierung, alternative Arbeitsmodelle und künstliche Intelligenz ver?ndert sich die Art und Weise, wie Menschen arbeiten. Wie Wissenschaftler der Universit?t Paderborn die Arbeit von morgen durch ihre Forschung mitgestalten, wird im Themenspecial ?Arbeit 4.0" dargestellt. Neben technischen Innovationen werden insbesondere auch gesellschaftspolitische Implikationen beleuchtet.

Arbeit 4.0: Mit Szenariotechnik zum Mitarbeiter 4.0

Wissenschaftler der Universit?t Paderborn untersuchen Industrie 4.0 im Smart Automation Laboratory 
 

?Der Begriff Arbeit 4.0 ist erst im Jahr 2011 entstanden – die Idee dahinter ist aber schon viel ?lter. Die sogenannte ?Theorie der langen Wellen“ (Kondratjew-Zyklen) geht auf den sowjetischen Wirtschaftswissenschaftler Nikolai Kondratjew zurück“, erkl?rt Prof. Dr.-Ing. Iris Gr??ler, Wissenschaftlerin an der Universit?t Paderborn und Leiterin des Lehrstuhls für Produktentstehung an der Fakult?t für Maschinenbau. ?Bereits 1926 erkl?rte er, warum sich die Produktivit?t nicht gleichm??ig, sondern in ?langen Wellen“ entwickelt. Durch eine neue Basisinnovation wird ein Paradigmenwechsel ausgel?st. Zun?chst wird massenhaft in diese neue Technologie investiert und damit ein Aufschwung hervorgerufen. In der Zeit des Abschwungs kommt es typischerweise zu einem ?konomischen Mangel, der durch weitergehende Produktivit?tssteigerung nicht zu befriedigen ist, sodass ein neues Paradigma erforderlich wird. Es kommt zu neuen Entdeckungen und Erfindungen.“

Brisant an der Kondratjewtheorie sei, so Gr??ler, dass ein langer Strukturzyklus nicht nur ein ?konomischer, sondern ein gesamtgesellschaftlicher Vorgang ist. Denn die ganze Gesellschaft organisiere sich neu, um die Basisinnovation optimal zu nutzen. ?Und genau das erleben wir gerade mit Arbeit 4.0 und der Diskussion rund um eine Digitalisierung in der Bildung“.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Lehrstuhl für Produktentstehung besch?ftigen sich konkret mit der Frage, wie Menschen zukünftig in Produktionsplanungs- und -steuerungssysteme eingebunden werden k?nnen. Sollten maschinelle Algorithmen Entscheidungen des Menschen vorwegnehmen oder nur vorbereiten? Wie kann der Mensch den Zustand eines solchen komplexen Systems durchschauen und im Notfall eingreifen? Wie k?nnen Erfahrungen einzelner Mitarbeiter und Pr?ferenzen in die maschinelle Entscheidungsfindung einflie?en? ?Zudem besch?ftigen wir uns mit der Frage, wie die Entwicklung in der Zukunft aussehen wird und welche Auswirkungen Industrie 4.0 auf die Besch?ftigten in der Entwicklung, in der Arbeitsplanung etc. haben wird.“, so Gr??ler.

?Mithilfe der sogenannten Szenariotechnik, einer unserer Forschungsschwerpunkte, versuchen wir diese Entwicklung nun vorauszuahnen. Es bietet sich die M?glichkeit, den Blickwinkel zu vergr??ern und Fragestellungen zu beantworten wie: Wie viel und welche Unterstützung durch Assistenzsysteme ist sinnvoll? Welche Entscheidungsunterstützung k?nnen technische Systeme den Verantwortlichen anbieten und welche Kompetenzen werden wir in Zukunft brauchen? Arbeit 4.0 setzt hier an.“ Mit dem Smart Automation Laboratory steht den Wissenschaftlern eine Forschungsinfrastruktur zur Verfügung, mit der Erkenntnisse zu diesen Fragestellungen gewonnen werden k?nnen.

Im Smart Automation Laboratory wird Industrie 4.0 in die Praxis umgesetzt. Das Labor im Heinz Nixdorf Institut der Universit?t Paderborn dient der Forschung in den Bereichen Produktions- und Automatisierungstechnik sowie der anwendungsnahen Untersuchung von Gesch?ftsprozessen. Im Wesentlichen besteht das Labor aus drei Fertigungsstationen (einer Drehmaschine, einem 3D-Drucker und einer Fr?smaschine), einem Materialflusssystem, einem Montageroboter und weiteren Industrierobotern, die die Fertigungszellen und den Montageroboter mit dem Flie?bandsystem verbinden. Alle Komponenten sind mit Rechnersystemen ausgestattet, sodass sie ihren eigenen Status kennen und mit anderen Komponenten und Diensten kommunizieren k?nnen. Dienste wie Auftragsmanagement, Energiemanagement und Qualit?tsüberwachung überwachen zentrale Aufgaben des Produktionssystems. Zus?tzlich aus dem Internet gewonnene Daten, wie z. B. Material- und Energiepreise, werden bei der Planung berücksichtigt.

?Ein wichtiger Aspekt der Forschung in dem Labor ist die Untersuchung der Rolle des Besch?ftigten in einer solchen Umgebung. Zentraler Untersuchungsgegenstand ist hierbei, wie Informations- und Kommunikationstechnologie eingesetzt werden kann, um die Arbeit für den Besch?ftigten zu erleichtern“, so Gr??ler. Im Zuge der voranschreitenden Digitalisierung und Automatisierung stellen sich viele Arbeitnehmer die Frage, ob Industrie 4.0 zum Verlust des eigenen Arbeitsplatzes führen k?nnte. Welche F?higkeiten und Kompetenzen braucht man in Zukunft? ?Wir müssen zwischen zwei unterschiedlichen Formen der Auswirkungen einer Digitalisierung unterscheiden. Zum einen gibt es T?tigkeitsfelder, die sich ver?ndern und in denen gewisse T?tigkeiten automatisiert werden – auch im Dienstleistungsgewerbe. Es ist ja heute schon h?ufig so, dass der Mensch nur noch eine Mitteilung überbringt, die Entscheidung z. B. über die Kreditzusage aber bereits von Algorithmen getroffen wurde. Zum anderen müssen Menschen Informationen nutzen, die von komplexen Algorithmen berechnet und m?glichst verst?ndlich dargestellt werden“, erkl?rt Iris Gr??ler.  Die Additive Fertigung – oft vereinfacht als 3D-Druck bezeichnet – erm?gliche es beispielsweise, komplexe, an die Belastung angepasste Formen zu fertigen. Anstelle der klassischen Konstruktion würden solche Bauteile heute mithilfe von Simulationen konstruiert. Der Mensch müsse an dieser Stelle die vom Computer angezeigten Berechnungen interpretieren und auf dieser Basis eine Entscheidung zur konstruktiven Gestaltung treffen. ?Das kann auch sicherheitskritische Systeme betreffen. Ein ?Mitarbeiter 4.0“ muss also hier nicht nur im Allgemeinen, sondern auch ganz speziell in Bezug auf die Anwendungssoftware ?digitale Kompetenzen“ besitzen“, so Gr??ler weiter. ?Ein gefordertes Kompetenzprofil l?sst sich einfach nicht verallgemeinern nach dem Motto: so lange ich gut mit dem Computer umgehen kann, ist mein Job sicher. Vielmehr ist es wichtig, sich individuell weiterzubilden und weiterzuentwickeln, mehr Verantwortung auch für sich selber zu übernehmen und offen für neue T?tigkeitsfelder zu sein. Schon heute kommen Künstliche Intelligenz und Maschinelles Lernen zum Einsatz. Ergebnisse sind dann nicht mehr mit herk?mmlichen Ans?tzen validierbar, wir müssen in der Forschung neue Wege in diesem Bereich vorbereiten. Verharrt man hierbei auf alten Denk- und Arbeitsweisen, wird man also auch als sehr gut ausgebildete Fachkraft Schwierigkeiten bekommen.“

Der Roboter ?baxter“ im Smart Automation Laboratory ist speziell für die Zusammenarbeit mit Menschen entwickelt.
Fotomontage (Universit?t Paderborn, Johannes Pauly): Der Roboter ?baxter“ im Smart Automation Laboratory ist speziell für die Zusammenarbeit mit Menschen entwickelt.
Prof. Dr. Iris Gr??ler und Alexander P?hler arbeiten mit dem Roboter ?baxter“ im Smart Automation Laboratory der Universit?t Paderborn.
Foto (Universit?t Paderborn, Johannes Pauly): Prof. Dr. Iris Gr??ler und Alexander P?hler arbeiten mit dem Roboter ?baxter“ im Smart Automation Laboratory der Universit?t Paderborn.

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