TRR 266-Stu­die zeigt: Un­ter­neh­men se­hen deut­sches Steu­er­sys­tem kri­tisch

 |  Forschung

Hohe Abgaben, wenig Vertrauen

Wie nehmen Unternehmen das deutsche Steuersystem wahr? Und wie beeinflusst es ihren Alltag und ihre Entscheidungen? Das haben Forschende des Sonderforschungsbereichs ?TRR 266 Accounting for Transparency“ von der Universit?t Paderborn, der Humboldt-Universit?t zu Berlin sowie der Freien Universit?t Berlin nun in einer Unternehmensbefragung untersucht. Die Antworten der 657 überwiegend kleinen und mittelst?ndischen Unternehmen aus ganz Deutschland, mit Schwerpunkt in NRW und Baden-Württemberg, zeigen: Ein Gro?teil der Befragten bewertet die Steuerlast und den zu bew?ltigenden steuerlichen Verwaltungsaufwand als vergleichsweise hoch. Auf einen verantwortungsvollen Umgang des Staates mit den eingenommenen Steuern vertrauen nur wenige.  

Steuern gelten als wichtiger Standortfaktor. Erscheint das Steuersystem zu komplex, die Steuern zu hoch oder werden sie als ungerecht empfunden, kann das Auswirkungen auf unternehmerisches Handeln und somit letztlich auf die Wirtschaftslage haben. Die Unternehmensbefragung des TRR 266 zeigt, dass es Sinn macht, sich die Stimmungslage deutscher Unternehmen einmal genauer anzusehen. Denn ein Gro?teil der 657 Befragten bewertet verschiedene Aspekte des deutschen Steuersystems durchaus kritisch.

Weniger Steuern, mehr Investitionen?

Dazu geh?rt auch die H?he der steuerlichen Abgaben. Im Schnitt sch?tzten die Befragten die Unternehmensteuerlast auf rund 36 Prozent. Der Wert, den sie für angemessen halten, liegt deutlich darunter – im Schnitt bei rund 23 Prozent. Rund 75 Prozent der Befragten sind zudem der Ansicht, dass sie mehr Steuern zahlen als ausl?ndische Wettbewerber*innen. ?Diese relativ gro?e Diskrepanz zwischen der angegebenen und der als angemessen empfundenen Steuerlast l?sst natürlich aufhorchen. Denn Wahrnehmungen beeinflussen Entscheidungen“, erkl?rt Prof. Dr. Caren Sureth-Sloane von der Universit?t Paderborn. ?Eine als zu hoch empfundene Steuerlast k?nnte zum Beispiel dazu führen, dass Unternehmen weniger investieren.“

Dass eine Senkung der Steuerlast die eigene Investitionst?tigkeit f?rdern würde, gab ein gro?er Teil der Befragten an. Steuersenkungen rangieren damit auf Platz 2 der wichtigsten Ma?nahmen zur Investitionsf?rderung, dicht gefolgt von einem Investitionsabzugsbetrag. Sonderabschreibungen schafften es mit den meisten Stimmen bei den Befragten auf Platz 1. ?Das sind interessante Ergebnisse. Immerhin sind Investitionen insbesondere in Krisenzeiten – wie jetzt in der Coronapandemie – ein wichtiges Instrument, um die Wirtschaftslage zu verbessern“, so Prof. Dr. Ralf Maiterth von der Humboldt-Universit?t zu Berlin. Interessant dürfte in diesem Zusammenhang auch sein, dass einige der Befragten angeben, dass ihre Investitionst?tigkeit durch den hohen steuerlichen Verwaltungsaufwand gehemmt wird.

Komplexes Steuersystem, hoher Verwaltungsaufwand

Der steuerliche Verwaltungsaufwand stellt für viele der befragten Unternehmen, unabh?ngig von Rechtsform und Unternehmensgr??e, eine deutliche Belastung im unternehmerischen Alltag dar. Im Durchschnitt wird der Anteil des steuerlichen Verwaltungsaufwands auf rund ein Drittel des gesamten Bürokratieaufwands im Unternehmen gesch?tzt. Als wesentliche Treiber geben Unternehmen mit deutlicher Mehrheit Nachweis- und Dokumentationspflichten an, gefolgt von der Erstellung der Steuererkl?rung und der Rechnungsstellung gem?? Umsatzsteuergesetz sowie der Berechnung und Abführung der Lohnsteuer.

Auch die Komplexit?t des Steuersystems sehen die Unternehmen sehr kritisch. Eine deutliche Mehrheit von 90 Prozent empfindet das deutsche Steuersystem als zu komplex. Nur knapp 20 Prozent der Befragten halten diese Komplexit?t für notwendig, um eine differenzierte und sachverhaltsabh?ngige Unternehmensbesteuerung zu erm?glichen. Mit den Informationen, die Finanzverwaltungen im Zusammenhang mit steuerlichen Fragen zur Verfügung stellen, sind 70 Prozent der Unternehmen unzufrieden.

Nur wenig Vertrauen in staatliches Handeln

Ein Gro?teil der Befragten ?u?ert zudem Misstrauen gegenüber dem staatlichen Umgang mit Steuergeldern: 80 Prozent der befragten Unternehmen zweifeln daran, dass der Staat verantwortungsvoll mit den eingenommenen Steuern umgeht. Ein klares Misstrauensvotum, das nicht auf die leichte Schulter zu nehmen sei, so die Forschenden: ?Fehlendes Vertrauen in Staat und Steuersystem ist schlecht für die Wirtschaft und für das gesellschaftliche Klima in diesem Land“, so Maiterth. ?Wir hoffen, mit unserer Forschung dazu beitragen zu k?nnen, dass dieses Vertrauen wieder w?chst – indem wir als Mittler zwischen Praxis und Politik Missstimmungen und Fehlwahrnehmungen aufdecken, Ursachen identifizieren und potenzielle L?sungswege aufzeigen“, erg?nzt Sureth-Sloane.

Die Executive Summary der Befragungsergebnisse kann eingesehen werden unter: https://www.accounting-for-transparency.de/wp-content/uploads/2021/07/trr266_b08_executive_summary_steuerliche_belastung_2021.pdf

Information zur Studie

Prof Dr. Martin Fochmann (Freie Universit?t Berlin), Vanessa Heile (Universit?t Paderborn), Hans-Peter Huber (Humboldt-Universit?t zu Berlin), Prof. Dr. Ralf Maiterth (Humboldt-Universit?t zu Berlin) und Prof. Dr. Caren Sureth-Sloane (Universit?t Paderborn). Steuerliche Belastung deutscher Unternehmen – Steuerlast und Verwaltungskosten – Executive Summary

Hintergrundinformationen

Der Sonderforschungsbereich (SFB) ?TRR 266 Accounting for Transparency“ startete im Juli 2019 und wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) für zun?chst vier Jahre gef?rdert. Er ist der erste SFB mit betriebswirtschaftlichem Schwerpunkt. Am SFB sind rund 80 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von acht Universit?ten beteiligt: Universit?t Paderborn (Sprecherhochschule), Humboldt-Universit?t zu Berlin und Universit?t Mannheim, zudem Forscherinnen und Forscher von der Ludwig-Maximilians-Universit?t München sowie der ESMT Berlin, Frankfurt School of Finance & Management, Goethe-Universit?t Frankfurt am Main und WHU - Otto Beisheim School of Management. Die Forscherinnen und Forscher untersuchen, wie Rechnungswesen und Besteuerung die Transparenz von Unternehmen beeinflussen und wie sich Regulierungen und Unternehmenstransparenz auf Wirtschaft und Gesellschaft auswirken. Das F?rdervolumen des SFBs betr?gt rund 12 Millionen Euro.

Symbolbild (Universit?t Paderborn, Besim Mazhiqi): Die Forscher*innen im SFB untersuchen, wie Rechnungswesen und Besteuerung die Transparenz von Unternehmen beeinflussen und wie sich Regulierungen und Unternehmenstransparenz auf Wirtschaft und Gesellschaft auswirken.

Kontakt

business-card image

Prof. Dr. Dr. h.c. Dr. h.c. Caren Sureth-Sloane

Betriebswirtschaftslehre, insb. Betriebswirtschaftliche Steuerlehre

Sprecherin im TRR 266 Accounting for Transparency

E-Mail schreiben +49 5251 60-1781