For­schungs­ver­bund un­ter Lei­tung der Uni­ver­si­t?t Pa­der­born hin­ter­fragt au­to­no­me Waf­fen­sys­te­me

 |  Forschung

Der Einsatz von Waffen, die eigenm?chtig und ohne menschliches Zutun handeln, ist l?ngst keine Science-Fiction mehr, sondern Realit?t geworden – UN-Berichten zufolge bereits im M?rz 2020 in Libyen. Die rasante Entwicklung autonomer Waffensysteme (AWS) ist ein umstrittenes Thema der internationalen Sicherheit: Akteur*innen aus Politik, Zivilgesellschaft, Milit?r und Wissenschaft diskutieren schon seit Langem kontrovers, ob und inwieweit mit maschineller Autonomie ein Verlust menschlicher Kontrolle droht und was das für die Zuschreibung von Verantwortung bedeutet. Ein Forschungsverbund unter der Leitung der Universit?t Paderborn will nicht nur die Implikationen autonomer Waffensysteme aus wissenschaftlicher Perspektive kritisch beleuchten, sondern auch, was Autonomie in diesem Zusammenhang bedeutet. Das auf vier Jahre angelegte Vorhaben mit dem Titel ?Meaningful Human Control. Autonome Waffensysteme zwischen Regulation und Reflexion“ (MEHUCO) startet im April und wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit rund 2.250.000 Euro gef?rdert. An dem Projekt sind neben der Universit?t Paderborn auch Wissenschaftler*innen der Universit?ten Bonn, Hamburg, Hannover und der Ostfalia Hochschule in Wolfenbüttel beteiligt.  

Handlungsf?higkeit und Konsequenzen herausstellen

Prof. Dr. Jutta Weber vom Institut für Medienwissenschaften der Universit?t Paderborn leitet den interdisziplin?ren Forschungsverbund. Die Mediensoziologin erkl?rt: ?Wir verfolgen das Ziel, ein umfassendes Verst?ndnis der soziokulturellen Dimension von autonomen Waffensystemen zu erarbeiten und verschiedene Kompetenzen der Technikforschung mit der der Friedensforschung zu bündeln. Das bedeutet unter anderem, die technischen und rechtlichen Grundlagen und ihre m?glichen Konsequenzen zu diskutieren. Wir entwickeln ein Konzept, das die soziomaterielle Handlungsf?higkeit von AWS und die damit verbundenen Konsequenzen herausstellt, basierend auf einem komplexen Technikverst?ndnis. Und zwar jenseits einer verkürzten Debatte, die die Handlungsf?higkeit immer nur beim Menschen oder bei der Maschine verorten will. Denn zum einen basiert Software auch auf normativen Setzungen sowie kategorialen Entscheidungen und gibt implizit Handlungsoptionen vor. Zum anderen bestimmen jeweils spezifische Anwendungskontexte, komplexe vernetzte Infrastrukturen und kulturelle Vorstellungen die Nutzung von Maschinen und deren Effekte wesentlich mit. Schon jetzt ist also klar: Einfache Antworten in Bezug auf die Verantwortung für Handlungen in komplexen Mensch-Maschinen-Gefügen sind hier nicht m?glich.“

Die Forschungsergebnisse werden nicht nur klassisch publiziert, sondern auch in einen breiten ?ffentlichen Diskurs eingebracht, z. B. in Form eines Dokumentarfilms und in sogenannten ?Walkshops‘ mit Politiker*innen. Zur St?rkung einer nicht-westlich zentrierten Perspektive wird das Projekt auch Forschende aus dem Globalen Süden einbeziehen und mit ihnen die eigene Arbeit reflektieren.

Unterschiedliche Auffassungen von autonomen Waffensystemen

?Die Kontroverse im Mensch-Maschine-Verh?ltnis ist gepr?gt durch Konzepte wie Autonomie, Kontrolle und Verantwortung, die auf verschiedenen wissenschaftstheoretischen und normativen Grundlagen beruhen. Trotz dieser Vielfalt an Positionen teilen die meisten Akteur*innen die Einsch?tzung, dass mit der Entwicklung und dem Einsatz von AWS erhebliche Konsequenzen für die Kriegsführung, Konfliktvermeidung und Rüstungspr?vention verbunden sind. Die meisten Expert*innen fordern ein Verbot. Dem schlie?t sich auch die neue Bundesregierung an. Allerdings gilt es, genauer hinzusehen, wie autonome Waffensysteme dabei definiert werden“, so Weber.

Bislang vernachl?ssigte Perspektiven

Das überregionale und interdisziplin?re Kompetenznetz will bislang unverbundene Problembeschreibungen und verschiedene Konzepte autonomer Waffensysteme kritisch analysieren und historisch sowie kulturell einordnen. An dem Projekt sind Forscher*innen aus den Bereichen der Science & Technology Studies (STS), Robotik, Rechtswissenschaft, Soziologie sowie Medienwissenschaft und Informatik beteiligt. Im Teilvorhaben ?Schwarmtechnologien. Kontrolle und Autonomie in komplexen Waffensystemen“ der Universit?t Paderborn werden Konzepte und Einsatzszenarien von autonomen Drohnenschw?rmen analysiert und die Implikationen dieses Ansatzes für das Mensch-Maschine-Verh?ltnis herausgearbeitet.

Laut Weber ist es ein zentrales Anliegen des Projekts, politische und zivilgesellschaftliche Akteur*innen gezielt auf Probleme und Handlungsbedarfe aufmerksam zu machen: ?Neben wissenschaftlichen Publikationen ist eine m?glichst zielgruppenspezifische Vermittlung der Ergebnisse geplant. Au?erdem arbeiten wir u. a. mit dem European Center for Constitutional and Human Rights in Berlin zusammen. Mit Institutionen wie z. B. der Bundeszentrale für politische Bildung werden Kooperationen für ?ffentliche Veranstaltungen angestrebt.“ 

Foto/Symbolbild (Michael Ebeling).

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