INGRID: Informationssystem Graffiti in Deutschland
?berblick
Das ?Informationssystem Graffiti in Deutschland“ (INGRID) ist ein Kooperationsprojekt der Universit?t Paderborn und des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT). Aufgabe und Ziel des Projekts bestanden darin, umfangreiche Graffiti-Bildbest?nde zusammenzutragen, sie zu digitalisieren, in einer Datenbank durch systematische, ontologiebasierte Annotation zu erschlie?en und diese der wissenschaftlichen Forschung in einem leistungsf?higen Informationssystem zug?nglich zu machen. Mit der Bereitstellung von wissenschaftlich nutzbaren Abbildungen und qualitativ hochwertigen Metadaten sollte eine Grundlage für die disziplinübergreifende wissenschaftliche Erforschung von Graffiti geschaffen werden. Das Projekt wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft in zwei Phasen (04/2016–03/2019 und 07/2020–03/2024) gef?rdert.
Die fachwissenschaftliche Betreuung des Projektes hatten Prof. Dr. Doris Tophinke (Allg. und germanistische Sprachwissenschaft, Universit?t Paderborn) und Prof. Dr. Martin Papenbrock (Kunstgeschcihte, Karlsruher Institut für Technologie). Zum Leitungsteam geh?rten darüber hinaus Prof. Dr. Gudrun Oevel (Zentrum für Informations- und Medientechnologie, Universit?t Paderborn) und Prof. Dr. Axel-Cyrille Ngonga Ngomo (Informatik – Data Science, Universit?t Paderborn). In der frühen Phase war auch Dr. Dietmar Haubfleisch (Universit?tsbibliothek, Universit?t Paderborn) an dem Kooperationsprojekt beteiligt.
Alltagskultur erfassen
Graffiti ist ein alltagskulturelles Ph?nomen, das das "Gesicht" der St?dte seit den 1980er Jahren anhaltend pr?gt. Als ephemeres Ph?nomen, das immer wieder durch ?bermalung und Reinigung ausgel?scht wird, kann es nur erforscht werden, wenn geeignete Daten gesichert und nach wissenschaftlichen Standards aufbereitet werden. INGRID bietet eine solche Informationsbasis. Gleichzeitig holt sie Graffiti in den Horizont einer kulturwissenschaftlichen Forschung, die sich auch für transgressive kulturelle Ph?nomene interessiert, die Graffitis in ihren Formen, Funktionen und Sinnstrukturen als Spuren jugendkultureller Praktiken beachtet und erschlie?t.
Ziele und Vorgehen
Die Idee, eine interdisziplin?r angelegte, wissenschaftlich nutzbare Graffiti-Bilddatendank zu erstellen, wurde 2012 von Doris Tophinke (Universit?t Paderborn) und Martin Papenbrock (Karlsruher Institut für Technologie) entwickelt. 2013 gelang es durch Kooperationen mit institutionellen Bildgebern, die ersten gr??eren Datenbest?nde zu akquirieren.
Den Schwerpunkt der ersten, dreij?hrigen F?rderphase (April 2016 bis Juni 2019) bildete die Erschlie?ung von zwei gro?en Graffiti-Bildbest?nden (Bestand der Polizei Mannheim und Sammlung Kreuzer aus dem Stadtarchiv München) und der Entwicklung von dafür notwendigen Annotationsstandards. Am Ende der ersten Projektphase standen insgesamt ca. 40.000 Graffiti-Fotos mit den entsprechenden Metadaten für die wissenschaftliche Nutzung zur Verfügung. Alle Best?nde sind auch in prometheus verfügbar. In der zweiten Projektphase (Juli 2020 bis M?rz 2024) wurden drei weitere gro?e Graffiti-Bildbest?nde im Umfang von ca. 50.000 Graffitis erschlossen: der Bestand der Polizei K?ln, der Bestand der Polizei München und die Sammlung des Graffiti-Galeristen Dirk Kreckel. Diese Bildbest?nde weisen jeweils eigene Charakteristika auf, die die zuvor erfassten Best?nde ideal erg?nzen und neue Forschungsperspektiven er?ffnen sollten. Wie in der ersten F?rderphase lagen auch in der zweiten Phase die Schwerpunkte der Arbeit darauf, Inhalte bereitzustellen, d.h. Graffitis durch Annotation systematisch zu erschlie?en, und die Zug?nglichkeit der bearbeiteten Datenbest?nde zu erh?hen. Alle Daten sind mit der Datenbank-Software easyDB erfasst und über die Webseite des Projekts /forschungsprojekte/ingrid für Nutzer*innen frei zug?nglich. Bei Zugriff via Shibboleth (DFN-AAI) werden Nutzungsoptionen verfügbar, die das "Wiedererkennen" der Nutzer*innen voraussetzen (z.B. die Anlage von Sammlungen).
Ein zus?tzliches Ziel der zweiten Projektphase war die Bereitstellung der Daten als Linked Data. Erg?nzend zum gegenw?rtigen relationalen Datenmodell sollten die INGRID-Daten im RDF-Format [https://www.w3.org/RDF/] als periodische Dumps zur Verfügung gestellt werden und mit offenen Linked Data Quellen (z.B. DBpedia [http://dbpedia.org], LinkedGeoData [http://linkedgeodata.org]) aus dem Web automatisch verknüpft werden. Zur Verbesserung des automatisierten Zugriffs auf INGRID wurde ein SPARQL-Endpunkt eingerichtet, der ebenfalls von der Webseite des Projektes aus zug?nglich ist (/forschungsprojekte/ingrid). Zus?tzlich zum besseren Anschluss an andere Repositorien erm?glicht diese Form der Datenbereitstellung komplexere (insbesondere f?derierte) Anfragen an die Daten sowie die Implementierung moderner Zugriffsparadigmen (z.B. Question Answering).
Das Informationssystem ist kein abgeschlossenes Repositorium, sondern will auch in Zukunft geeignete Graffiti-Bildbest?nde integrieren. Wer über gr??ere Best?nde an Graffiti-Aufnahmen verfügt und sie der wissenschaftlichen Forschung zur Verfügung stellen m?chte, kann sich mit den Ansprechpersonen von INGRID in Verbindung setzen.
INGRID als Forschungsressource
Bei der Annotation wurden sprachliche, schriftbildliche und bildliche Aspekte der Graffitis erfasst. Die Ontologie, die der Annotation zugrunde liegt, ist am Austauschformat LIDO orientiert. Unterschieden werden Basis- und Tiefenannotation: Die Basisannotation erfasst Angaben zur Klassifikation (Typik, Einbettungen) und Identifikation des Beschreibungsobjekts (u.a. Transkription des Beschreibungsobjekts sowie ggf. weiterer lesbarer Graffitis auf der Fotografie), zu den Akteuren (Sprüher- bzw. Crewpseudonyme) sowie zur Datierung und Lokalisierung. Die Tiefenannotation betrifft die schrift- und bildbezogenen Eigenschaften des Beschreibungsobjektes sowie materialtechnische, r?umliche und kontextuelle Aspekte der Herstellung, Angaben zur Thematik, Funktion und Ikonografie des Graffitis. Die Akteure – Sprüher und Sprühergruppen (Crews) – werden nur mit ihren selbstgew?hlten Pseudonymen erfasst. INGRID enth?lt keine personenbezogenen Daten. /forschungsprojekte/ingrid/ontologie
Die Bilddatenbank ist nicht nur für die Sprachwissenschaft und die Kunstgeschichte von gro?em Interesse, sondern auch für weitere F?cher, die sich mit Graffiti als Forschungsgegenstand befassen, insbesondere für die Ethnologie, die Kultur- und Medienwissenschaften, die Urbanistik, die Stadtsoziologie und die Stadtquartiersplanung. Neben spezifisch kunstgeschichtlichen Fragen nach Stil und Ikonografie, künstlerischer Praxis und künstlerischem Selbstverst?ndnis, nach dem Verh?ltnis von künstlerischem und nichtkünstlerischem Graffiti und spezifisch (schrift-)linguistischen Fragen nach der (schrift-)sprachlichen Form, der Grammatik, der Graphostilistik und den schriftkulturellen Traditionen des Graffiti sind es vor allem Fragen zur ?sthetik und Kommunikation im st?dtischen Raum, die auf der Basis der Bilddatenbank neu gestellt und untersucht werden k?nnen. Lokalisierende Angaben erm?glichen es, St?dteprofile zu erstellen, die den Zusammenhang zwischen Graffiti und st?dtischer Infrastruktur sowie zwischen Graffiti und sozialen und st?dtebaulichen Ver?nderungen aufweisen k?nnen.
Key Facts
- Keywords:
- Graffiti, Informationssystem, Repositorium
- Grant Number:
- 289287267
- Profilbereich:
- Digital Humanities
- Art des Projektes:
- Forschung, Wissenstransfer
- Laufzeit:
- 02/2016 - 03/2024
- Gef?rdert durch:
- DFG
Detailinformationen
Kontakt
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Prof. Dr. Doris Tophinke
Germanistische und Allgemeine Sprachwissenschaft
Professorin
Prof. Dr. Martin Papenbrock
Informationssystem Graffiti in Deutschland (Projekt INGRID)
Projektpartner - Leiter
Ergebnisse
Ver?ffentlichte Arbeiten aus Publikationsorganen mit wissenschaftlicher Qualit?tssicherung, Buchver?ffentlichungen sowie bereits zur Ver?ffentlichung angenommene, aber noch nicht ver?ffentlichte Arbeiten Brennecke, Andreas/Oevel, Gudrun/Strothmann, Alexander (2011): ?Vom Studiolo zur virtuellen Forschungsumgebung", in: Paul Müller, Bernhard Neumeier, Gabi Dreo Rodosek (Hg.): 4. DFN-Forum Kommunikationstechnologien – Beitr?ge der Fachtagung 20./21.6.2011 Bonn. Lecture Notes in Informatics (LNI), P-187, Bonn: Gesellschaft für Informatik, 69–78. Papenbrock, Martin (2011): ?Museumsguerilla. Positionen von 1968 bis heute", in: Kunst und Politik. Jahrbuch der Guernica-Gesellschaft, 13/2011, 63-75. Papenbrock, Martin (2012a): ?Graffiti als Kirchenkunst", in: Kunst und Politik. Jahrbuch der Guernica-Gesellschaft, 14/2012, 85-96. Papenbrock, Martin (2012b): ?Vom Protest zur Intervention. Grundzüge politischer Kunst im 20. Jahrhundert", in: Hartmann, Doreen/Lemke, Inga/Nitsche, Jessica (Hg.): Interventionen. Grenzüberschreitungen in ?sthetik, Politik und ?konomie. München, 27-41. Papenbrock, Martin (2015): ?Die Bewahrung des Ephemeren. Zur Dokumentation von Graffiti", in: von Hülsen-Esch, Andrea (Hg.): Ephemere Materialien. Düsseldorf: dup (Materialisierungen, Bd. 2), 169-187. Papenbrock, Martin/Tophinke, Doris (2012): "Wild Style. Graffiti-Writing zwischen Schrift und Bild", in: Schuster, Britt-Marie/Tophinke, Doris (Hg.): Andersschreiben. Formen, Funktionen, Traditionen. Berlin: Erich Schmidt, 179-197. Papenbrock, Martin/Tophinke, Doris (2014): ?‘Meine Styles sollen wie Schlachtschiffe wirken‘. Schrift aggressiv gestalten", in: Praxis Deutsch. Zeitschrift für den Deutschunterricht, 41/2014 (246), 26-30. Papenbrock, Martin/Tophinke, Doris (erscheint 2016): ?Graffiti. Formen, Traditionen, Perspektiven", erscheint in: Hausendorf, Heiko/Müller, Marcus (Hg.): Handbuch Sprache in der Kunstkommunikation. Berlin: de Gruyter (Handbuch Sprachwissen, Bd. 16). (Anlage 8) Schuster, Britt-Marie/Tophinke, Doris (2012): ?Andersschreiben als Gegenstand der linguistischen Forschung", in: Schuster, Britt-Marie/Tophinke, Doris (Hg.), Andersschreiben. Formen, Funktionen, Traditionen. Berlin: Erich Schmidt, 13-22. Tophinke, Doris (erscheint 2016). ?In den tiefsten Winkeln unserer Betonw?lder tanzen die Namen ein farbenfrohes Fest und wir tanzten bis in die Morgenstunden" – Zur praktischen Kultur des Graffiti, erscheint in: Deppermann, Arnulf/Feilke, Helmuth/Linke, Angelika. Kommunikative und sprachliche Praktiken. Berlin: de Gruyter (IDS-Jahrbuch).