Seit über 50 Jahren f?rdert die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) langfristige Projekte in Form von Sonderforschungsbereichen (SFB). In diesen Programmen betreiben Wissenschaftler*innen f?cher- und hochschulübergreifend Grundlagenforschung, die für die antragstellenden Hochschulen schwerpunkt- und strukturbildend ist. An der Universit?t Paderborn werden aktuell vier Sonderforschungsbereiche geleitet. Welche Ziele die Wissenschaftler*innen darin verfolgen, wird in dieser Themenreihe vorgestellt.
Physikalische Grundlagenforschung zu einer Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts
Neue Wege in der Informations- und Kommunikationstechnologie durch die gezielte Manipulation von Licht: Damit besch?ftigen sich Wissenschaftler*innen des Sonderforschungsbereichs (SFB-TRR 142) ?Ma?geschneiderte nichtlineare Photonik: Von grundlegenden Konzepten zu funktionellen Strukturen“. In dem Verbundprojekt der Universit?t Paderborn und der Technischen Universit?t Dortmund geht es insbesondere um künftige Anwendungen von Photonik und Quantentechnologien zugunsten der Sicherheit. Dank ihrer speziellen Eigenschaften gelten Photonen – kleine Lichtteilchen, aus denen elektromagnetische Strahlung besteht – als Hoffnungstr?ger für eine Revolution in der Datenübertragung.
Neue optische Technologien
Als Teilgebiet der Physik befasst sich die nichtlineare Photonik mit der Wechselwirkung von Licht und Materie. Prof. Dr. Artur Zrenner, Physiker an der Universit?t Paderborn, ist Sprecher des SFBs und erkl?rt: ?Bei unserem Sonderforschungsbereich geht es um die Steuerung und Manipulation von Licht – von intensivsten Laserstrahlen bis hin zu einzelnen Photonen, den Lichtquanten. Mit dieser Steuerung wollen wir die Grundlagen für neue optische Technologien schaffen, die auf Licht basieren.“ Spezielle Methoden zur Erzeugung und Gestaltung von Photonen k?nnten zukünftig – verglichen mit aktuellen Bin?rcodes – neue Konzepte zur Codierung von Informationen liefern.
?Wir betreten Neuland“
Um das zu erreichen, nutzen die Wissenschaftler*innen nichtlineare optische Prozesse. Das sind Vorg?nge, bei denen elementare Lichteigenschaften gezielt ver?ndert werden und die für eine sp?tere Anwendung in der Informationstechnologie unverzichtbar sind. ?Solche Effekte treten zum Beispiel auf, wenn durch Frequenzverdopplung aus rotem blaues Licht wird. Auch Lichtblitze, die eine ganz bestimmte Anzahl von Photonen haben, lassen sich so erzeugen“, sagt Zrenner. Erst damit wird es m?glich, die Teilchen ihrem sp?teren Nutzen entsprechend zu modellieren.
Selbst für die erfahrenen Wissenschaftler*innen sind diese ma?geschneiderten Quantenzust?nde besonders: ?Mit der Entwicklung photonischer Technologien, die auf Funktionalit?ten basieren, die nur bei der Verwendung einzelner Lichtquanten oder ma?geschneiderter Quantenzust?nde zug?nglich werden, betreten wir Neuland. Ziel ist es, die Forschungsaktivit?ten von den Grundlagen der Licht- und Materialphysik bis hin zur Anwendung zu treiben“, so Zrenner.
Aus Licht wird Strom
Sogenannte optoelektronische Materialien k?nnen Licht in Strom umwandeln und umgekehrt. Zrenner erkl?rt: ?In der Regel handelt es sich dabei um Halbleitermaterialien wie Silizium, Galliumarsenid oder Galliumnitrid. Heute werden damit Bauelemente wie Solarzellen, LEDs und Laser hergestellt.“ Für ihre Forschung verwenden die Wissenschaftler photonische Materialien, die elektrooptische und nichtlineare Eigenschaften besitzen und entsprechende Prozesse selbst auf Ebene einzelner Photonen in Gang setzen k?nnen. ?Voraussetzung dafür sind u. a. das grundlegende Verst?ndnis dieser Materialien auf atomarer Ebene und die Beherrschung modernster Materialtechnologien. Um die gewünschten Funktionalit?ten zu erhalten, werden diese Materialien strukturiert, also für eine bestimmte Anwendung aufbereitet“, sagt Zrenner.
Bei dem SFB, der seit 2014 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gef?rdert wird, geht es auch um die Herstellung ma?geschneiderter Laser-Pulse. Damit k?nnen laut Zrenner die nichtlinearen Prozesse künftig besonders effizient genutzt werden. ?Wir wollen neuartige Komponenten für Informationstechnologien herstellen, die bisher nicht realisiert werden konnten.“
Rarit?ten in Serienproduktion
Die Physiker*innen arbeiten bei ihren Experimenten u. a. mit einzelnen Photonen, was mit gro?en Herausforderungen verbunden ist: ?Zum einen sind g?ngige Photonenquellen relativ unpr?zise, die Erzeugung von Einzelphotonen gelingt nicht immer. Zum anderen ist nicht vorhersagbar, wann genau ein einzelnes Lichtteilchen erzeugt wird und welche Qualit?t es hat“, gibt Zrenner zu bedenken. Für die Quantenkryptographie, also die ?bertragung sicherer Schlüssel mittels Lichtquanten, werden aber genau diese seltenen Exemplare ben?tigt. Deshalb setzen die Wissenschaftler Quantenpunkt-Dioden als Quellen für Einzelphotonen ein. Das sind künstliche Atome, die in einem Halbleiter eingebettet sind.
Die Wissenschaftler*innen um Zrenner wollen au?erdem skalierbare Methoden zur Kontrolle von Quantenbits entwickeln: ?Damit wird es dann m?glich sein, Quellen für einzelne Photonen mittels ultraschneller Elektronik pr?zise zu steuern“. Interessant ist deren Erforschung aber auch deshalb, weil Quantenbits, auch Qubits genannt, die Voraussetzung für etwas sind, an dem derzeit die gro?en Player der Technik- und IT-Branche arbeiten: ?Qubits bilden die Grundlage für sogenannte Quantencomputer. Das sind spezielle Rechner, die im Vergleich zu klassischen Computern nicht mit Bits, sondern auf Basis quantenmechanischer Zust?nde arbeiten und gewisse Aufgaben weitaus schneller als bisherige Superrechner l?sen sollen“, fügt Zrenner hinzu.
Garantierte Sicherheit
?Mithilfe der Quantenkryptographie kann ein geheimer Schlüssel zwischen zwei Kommunikationspartnern geteilt werden – und zwar beweisbar sicher. Das geschieht durch die Verwendung einzelner Photonen und ist dem ?No-Cloning-Theorem“ unterworfen. Es ist also nicht m?glich, den Datenfluss zu kopieren. Auch Abh?rversuche k?nnen sofort erkannt werden. Nur die Photonen, die in ihrer Ursprungsform beim Empf?nger registriert werden, tragen zum gemeinsamen Schlüssel bei“, wei? Zrenner.
?Immenses Zukunftspotential“
Bei dem Vorhaben werden die Expertisen der Universit?t Paderborn in den Bereichen der photonischen Materialien und der Quantenoptik sowie der TU Dortmund im Bereich der nichtlinearen Spektroskopie kombiniert. Allein die Verl?ngerung des SFBs um weitere vier Jahre bis 2022 geht mit einer F?rdersumme von rund 11,5 Millionen Euro einher.
?Wir wollen einen nachhaltigen Beitrag zu der Entwicklung einer der wichtigsten Schlüsseltechnologien des 21. Jahrhunderts leisten. Wir sind fest davon überzeugt, dass im Forschungsfeld der optischen Technologien mit seinen vielf?ltigen Anwendungsm?glichkeiten ein immenses Zukunftspotenzial verborgen ist“, sagt Zrenner.
Projektwebseite: trr142.uni-paderborn.de
Nina Reckendorf, Stabsstelle Presse und Kommunikation