Wissenschaftler der Universit?t Paderborn ordnen Forschung ein
Nobelpreis für Chemie
Am Mittwoch, 9. Oktober, wurden die diesj?hrigen Nobelpreistr?ger für Chemie bekanntgegeben: Prof. Dr. John Goodenough, Prof. Dr. Stanley Whittingham und Prof. Dr. Akira Yoshino wurden für ihre Beitr?ge auf dem Gebiet der Batterieentwicklung ausgezeichnet. In der Begründung hei?t es, ihre Arbeit habe die Grundlagen für Lithium-Ionen-Akkus geschaffen. Der Preis wird von der K?niglich Schwedischen Akademie der Wissenschaften vergeben und ist mit umgerechnet rund 830.000 Euro dotiert. Was es damit konkret auf sich hat, wei? Prof. Dr. Michael Tiemann, Chemiker an der Universit?t Paderborn.
Aus unserem Alltag kaum noch wegzudenken, findet die Lithium-Ionen-Batterie u. a. in elektronischen Ger?ten wie Handys oder Laptops Anwendung. Prof. Tiemann erkl?rt, was die Teilchen so besonders macht: ?Das positiv geladene Lithium-Ion ist sehr klein und dadurch sehr beweglich. Es kann in der Batterie leicht zwischen der Anode – dem Minuspol – und der Kathode – dem Pluspol – hin- und herwandern. Beim Laden der Batterie bewegt es sich in Richtung Anode und beim Entladen zur Kathode“. Als Kathodenmaterialien werden unterschiedliche Metalloxide verwendet. ?In diese Oxide k?nnen die Lithium-Ionen leicht ?chemisch eingebaut‘ werden. Sp?ter, beim Laden der Batterie, werden sie wieder ?ausgebaut‘“, so der Wissenschaftler. Durch die Wahl geeigneter Metalloxide lasse sich insbesondere die Zellspannung der Batterie erheblich steigern, so Prof. Tiemann weiter.
?Die Entwicklung des Prinzips des chemischen Ein- und Ausbaus von Lithium-Ionen in solchen Kathodenmaterialien und die systematische Suche nach den dafür am besten geeigneten Metalloxiden war die Leistung von Whittingham und Goodenough in den 1970er und 80er Jahren“, sagt Tiemann und erg?nzt: ?Yoshino entwickelte wenig sp?ter die erste kommerziell verfügbare Lithium-Ionen-Batterie, indem er den Aufbau der Anode durch Verwendung geeigneter Kohlenstoff-Materialien wesentlich verbesserte“.
Das chemische Element Lithium sei ein besonders unedles Metall, wodurch es sich für die Verwendung in Batterien gut eigne, so Prof. Tiemann. Es zeichne sich au?erdem durch seine geringe Masse aus: ?Lithium ist das leichteste Metall und das drittleichteste Element im Periodensystem“, erkl?rt der Wissenschaftler. Deshalb werde in Lithium-Ionen-Batterien eine hohe Energiedichte, also die Menge der speicherbaren Energie pro Gewicht, erzielt. Denkbar sei aber auch, dass Lithium in künftigen Batterie-Generationen durch andere Elemente ersetzt würde. Derzeit würden u. a. Magnesium-basierte Batterien erforscht. Da das Element auf der Erde relativ h?ufig vorkomme, lie?en sich auf diese Weise unter Umst?nden auch m?gliche Probleme l?sen, die sich aus der begrenzten Verfügbarkeit des Lithiums ergeben.
Anwendung finden die leichten und leistungsstarken Batterien auch bei Elektro-Fahrzeugen. Weil sie gro?e Mengen an Solar- und Windenergie speichern k?nnen, leisten sie au?erdem einen Beitrag für den Klimaschutz. ?Gerade im Moment ist das ein viel beachteter und zunehmend wichtiger gesellschaftlicher Aspekt“, so Prof. Tiemann.
Nina Reckendorf, Stabsstelle Presse und Kommunikation, Prof. Dr. Michael Tiemann, Anorganische Chemie
Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften
Am Montag, 14. Oktober, wurden die letzten Nobelpreistr?ger für das Jahr 2019 bekanntgegeben: Die ?konomen Abhijit Banerjee, Esther Duflo und Michael Kremer wurden von der K?niglich Schwedischen Akademie der Wissenschaften für ihren ?experimentellen Ansatz zur Linderung globaler Armut“ ausgezeichnet.
Obwohl der ?Wirtschaftsnobelpreis“, wie er im allgemeinen Sprachgebrauch bezeichnet wird, gleichzeitig mit den anderen Nobelpreisen vergeben wird und ebenfalls mit einem Preisgeld in H?he von rund 830.000 Euro dotiert ist, nimmt diese Auszeichnung eine Sonderstellung ein. Als ?Alfred-Nobel-Ged?chtnispreis für Wirtschaftswissenschaften“ unterscheidet er sich von den anderen Preisen darin, dass er nicht auf das Testament des ursprünglichen Stifters Alfred Nobel zurückgeht, sondern ca. 60 Jahre sp?ter, 1968, anl?sslich des 300-j?hrigen Bestehens der Schwedischen Reichsbank, von dieser gestiftet und im Folgejahr erstmals verliehen wurde.
Prof. Dr. Hendrik Schmitz, Wirtschaftswissenschaftler der Universit?t Paderborn, erkl?rt die Forschungsarbeit der Preistr?ger im Interview und erl?utert ihre Relevanz für unsere Gesellschaft.
Herr Schmitz, was genau versteht man unter Armutsforschung?
Schmitz: Armutsforschung hat verschiedene Auspr?gungen. Zun?chst versuchen Wissenschaftler zu definieren, nach welchen Kriterien man überhaupt arm ist. Basierend auf dieser Definition wird anhand von Daten ermittelt, wie viele Personen in einer bestimmten Region arm sind und ob sich die Zahl der armen Menschen im Verlauf der Zeit erh?ht oder reduziert hat. In einem zweiten Schritt wird untersucht, wie sich Armut auswirkt. Beispielsweise wird untersucht, ob ?rmere Menschen schlechtere Gesundheitsversorgung erhalten und daher früher sterben müssen. Und schlie?lich stellt sich die Frage, welche M?glichkeiten es gibt, aus der Armut auszubrechen. Diesem Thema widmen sich die ausgezeichneten ?konomen. Zentral ist hier zum Beispiel der Zugang zu Bildung. Armutsforscher untersuchen empirisch, welche Ma?nahmen wirklich funktionieren um Armut zu bek?mpfen. Auf diese Weise k?nnen sie politische Entscheidungstr?ger fundiert beraten.
Wie definieren die ausgezeichneten ?konomen Armut? Wie legt man Armutsgrenzen fest?
Schmitz: Im Allgemeinen unterscheidet man zwischen relativer und absoluter Armut. Relative Armut bedeutet, dass man nicht notwendigerweise hungern muss, um arm zu sein. Wer deutlich weniger Geld als ein Durchschnittsverdiener bekommt, kann durchaus sozial ausgegrenzt sein und unter Armut leiden. In Deutschland gilt ein Haushalt in der Regel als arm, wenn er über weniger als 60% des Median-Haushaltseinkommens verfügt – also wenn man alle Haushalte nach Einkommen sortiert, den mittleren ausw?hlt und davon 60% nimmt. Dies ist in der Regel die Definition von Armut in entwickelten L?ndern.
Die ausgezeichneten ?konomen untersuchen Armut vor allem in Entwicklungsl?ndern. Hier wird in der Regel der absolute Armutsbegriff angewendet. Arm ist laut derzeitiger Definition der Weltbank demnach, wer mit weniger als 1,9 Dollar pro Tag auskommen muss. Die ausgezeichneten Forscher befassen sich verst?rkt mit Regionen der Welt, in denen die ?rmsten der Armen leben und legen hierzu eine Armutsgrenze von 99 US-Cent an.
Aber weder bei absoluter noch relativer Armut gibt es allgemeingültige Grenzen. Verschiedene Interessengruppen legen verschiedene Kriterien an, je nachdem ob eine h?here oder niedrigere Armutsquote erwünscht ist. Für die Forschung der Nobelpreistr?ger ist die Definition der Armutsgrenze allerdings nicht zentral.
Worin liegt der experimentelle Ansatz der Preistr?ger bei ihrer Forschung?
Schmitz: Die drei ?konomen haben den Nobelpreis vor allem auch für die Etablierung ihrer Forschungsmethode in den Wirtschaftswissenschaften erhalten: den ?Feldexperimenten“. Mit dieser Methode k?nnen sie rigoros untersuchen, welche Ma?nahmen zur Armutsreduktion funktionieren und vor allem auch, welche nicht. ?hnlich wie in der Medizin führen sie dazu kontrolliert randomisierte Experimente durch (randomized controlled trials). Um zum Beispiel zu testen, welche Ma?nahmen für eine bessere Bildung von Kindern sorgen, probieren sie diese einzeln aus. 365体育_足球比分网¥投注直播官网 teilen Schüler nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen auf. Die eine Gruppe erh?lt zum Beispiel regelm??ige Gesundheitsvorsorge, etwa Wurmkuren, die andere nicht. Dann werden beide Gruppen über einen l?ngeren Zeitraum verfolgt. In der Gruppe mit besserer Gesundheitsversorgung bleiben die Kinder deutlich seltener dem Unterricht fern und erzielen bessere Ergebnisse. 365体育_足球比分网¥投注直播官网 probieren so auch viele andere Ma?nahmen aus, etwa das Verteilen von Schulbüchern, die Verkleinerung von Schulklassen oder die Errichtung von Computerr?umen, die sich allerdings als deutlich weniger wirksam erwiesen. Von vielen Ma?nahmen, bei denen man annehmen k?nnte, dass sie alle funktionieren, bleiben nur wenige übrig, bei denen es tats?chlich bewiesen werden kann.
Welche Relevanz hat Armutsforschung heute?
Schmitz: Armutsforschung hat in der Volkswirtschaftslehre lange ein Schattendasein gefristet. Dies hat sich grundlegend ge?ndert. Die hohe wissenschaftliche Relevanz zeigt sich natürlich daran, dass am Montag der Wirtschaftsnobelpreis an drei Armutsforscher vergeben wurde und damit nicht nur die Forscher, sondern auch das Forschungsfeld geadelt wurden. Bereits 2015 hat mit Angus Deaton ein ?konom den Nobelpreis erhalten, der Ungleichheit und Armut erforscht – mit ganz anderen Ans?tzen als die diesj?hrigen Preistr?ger. Etabliert ist dieser Forschungszweig mittlerweile aber insbesondere beim Thema der absoluten Armut in Entwicklungsl?ndern. Die Erforschung (relativer) Armut in entwickelten L?ndern ist weniger stark ausgepr?gt.
Die Forschung der Preistr?ger besticht vor allem auch durch ihre praktische Relevanz. 365体育_足球比分网¥投注直播官网 ermitteln immer wieder kleinteilige L?sungsvorschl?ge für Armutsprobleme, die auch von politischen Entscheidungstr?gern umgesetzt werden k?nnen und die nicht nur aus wissenschaftlicher Perspektive interessant sind. Gerade in den aller?rmsten L?ndern mangelt es noch immer am Wesentlichen. Bei der Armutsbek?mpfung und Entwicklungs?konomie stellt sich die zentrale Frage, wie es Entwicklungsl?ndern gelingen kann, aus dieser Armutsfalle auszubrechen. Hier geht es insbesondere um Zugang zu sauberem Wasser und Lebensmitteln, zu Gesundheitsleistungen sowie zu Bildung. Dies gilt in verst?rktem Ma? für Kinder, insbesondere für M?dchen. Wichtig ist zudem der Aufbau von Institutionen, etwa einer funktionierenden Verwaltung in Gemeinden.
Jennifer Strube, Stabsstelle Presse und Kommunikation, Prof. Dr. Hendrik Schmitz, Statistik und Quantitative Methoden der Empirischen Wirtschaftsforschung