Erstmals k?nnen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler das Sozialleben von Flederm?usen in freier Wildbahn lückenlos auswerten
Mittels miniaturisierter Trackingsensoren untersuchen Biologinnen und Biologen die mütterliche Fürsorge in Fledermauskolonien. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einer Forschungsgruppe der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) statteten Fledermausmütter und ihre Jungtiere mit Sensoren aus, die automatisiert Kontakte zwischen den Tieren aufzeichnen. ?Erstmals konnte mit dieser Technik belegt werden, dass Fledermausmütter ihre Jungtiere zu neuen Quartieren geleiten. Zuvor folgten die Forscher den mit Sendern versehenen Flederm?usen mit Antennen ausgestattet zu Fu? oder mit dem Fahrzeug. Dabei traten h?ufig erhebliche Erfassungslücken auf. Zudem war die geringe r?umliche Aufl?sung nicht geeignet, soziale Interaktionen zwischen einzelnen Flederm?usen zu interpretieren?, so Dr. Simon Ripperger vom Museum für Naturkunde.
Viele Fledermausarten der gem??igten Breiten zeigen ein bemerkenswertes Sozialverhalten. Jahr für Jahr kehren die Weibchen an ihren Geburtsort zurück. Die Jungtiere müssen lernen, selbst?ndig zu jagen und Quartiere zu finden. Wie diese Lernprozesse von statten gehen, war bisher v?llig unbekannt, da sich Flederm?use in freier Wildbahn nur sehr schwer beobachten lassen. Um das Sozialverhalten in freier Wildbahn untersuchen zu k?nnen, entwickelte die Forschungsgruppe ?Dynamisch adaptierbare Anwendungen zur Fledermausortung mittels eingebetteter kommunizierender Sensorsysteme? unter Beteiligung von Prof. Alexander K?lpin, Leiter des BTU-Fachgebiets Allgemeine Elektrotechnik und Messtechnik, ein funkbasiertes Sensornetzwerk zur vollautomatisierten Beobachtung von Kleintieren.
Mit Hilfe von Sensoren, die halb so schwer wie eine Ein-Cent-Münze sind, konnten Kontakte zwischen einzelnen Flederm?usen aufgezeichnet und damit die Gruppendynamik der Jungtiere bei ihren n?chtlichen Jagdflügen und den Quartierwechseln beobachtet werden. ?Damit die Flederm?use beim Flug nicht gest?rt werden, war es uns wichtig, dass die Sensoren ein minimales Gesamtgewicht – maximal ein bis zwei Gramm inklusive Batterie, Schaltungstr?ger und Antenne – sowie eine Form haben, die die Fledermaus in ihren natürlichen Bewegungen nicht einschr?nkt?, so der Wissenschaftler. ?Das war eine gro?e Herausforderung an den Entwurf eines so komplexen Systems. Die Antenne musste in ihrer Geometrie stark verkürzt und die Schaltung dreidimensional an den K?rper der Fledermaus angepasst werden. Auch die Aerodynamik hatten wir im Blick. Nachdem wir die Grundfunktionalit?t des mobilen Sensorknotens in einem ersten Schritt geschaffen hatten, haben wir weitere Funktionen nach und nach hinzugefügt, um die Fledermaus nicht mit einem gro?en Gewicht zu beeintr?chtigen, aber dennoch alle wichtigen Daten zu erfassen?, so K?lpin.
Das Ergebnis ist ein leichter und miniaturisierter drahtloser Sensorknoten mit Lokalisierungs- und Kommunikationsschnittstelle für den Einsatz auf einer fliegenden Fledermaus. Um die Lebensdauer der eingesetzten Batterie zu maximieren und das Energiemanagement des Moduls zu entlasten, haben die Forscher energieeffiziente ?bertragungsprotokolle untersucht.
Enge Kontakte zwischen Müttern und Jungtieren beim Quartierwechsel, jedoch nicht bei der Jagd, zeigen, dass die Mütter ihre Jungtiere regelrecht zu neuen Quartieren geleiten. Entsprechende Verhaltensweisen wurden bei Flederm?usen bereits seit langem vermutet, jedoch erst die technologischen Entwicklungen der Forschergruppe erm?glichten die Beobachtung dieser seltenen Verhaltensweisen.
Im Rahmen der DFG-Forschungsgruppe FOR1508 ?Dynamisch adaptierbare Anwendungen zur Fledermausortung mittels eingebetteter kommunizierender Sensorsysteme? arbeitet die BTU zusammen mit der Friedrich-Alexander-Universit?t Erlangen-Nünberg (Sprecher der Gruppe), Universit?t Paderborn, Museum für Naturkunde – Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversit?tsforschung in Berlin und der TU Braunschweig. ?Als wir angetreten sind, ernteten wir durchaus Skepsis angesichts der gro?en Herausforderungen unseres Vorhabens. Umso mehr freut es mich jetzt, dass die Forschergruppe in allen Bereichen so überzeugende Ergebnisse liefern konnte?, kommentiert der Sprecher der Forschergruppe Prof. Robert Weigel.
Ver?ffentlicht in:
Ripperger S, Günther L, Wieser H, Duda N, Hierold M, Cassens B, Kapitza R, K?lpin A, Mayer F. 2019 Proximity sensors on common noctule bats reveal evidence that mothers guide juveniles to roosts but not food. Biol. Lett. 20180884. dx.doi.org/10.1098/rsbl.2018.0884