Das ist HiP: Pader­born mit ein­er App erkun­den

Die 'Historisches-Paderborn'-App (HiP-App) erm?glicht eine digitale Entdeckungstour durch die Stadt im Mittelalter

Die Geschichte von Paderborns Kulturgütern direkt vor Ort mithilfe einer App entdecken und dabei erforschen, wie neue technische Verfahren die Spuren der Vergangenheit ?les- und sichtbar“ machen: Das ist das Ziel der ?Historisches-Paderborn‘-App, die Dozenten der Universit?t Paderborn gemeinsam mit ihren Studierenden entwickeln. Das Projekt steht im Kontext der Digital Humanities – der Durchdringung von Informatik und Kulturwissenschaften – und ist ein Beispiel für die Bündelung der F?cher Informatik, Germanistik, Geschichte und Kunstgeschichte. Dafür wurde es mit dem Forschungspreis der Universit?t ausgezeichnet.

Es soll kein Stadtführer 2.0 und auch kein weiterer Wikipedia-Eintrag werden. Die Hip-App ist mehr als blo?e Informationslieferung. Als Plattform für Analysen der multimodalen Raumkonstitution soll sie die vielf?ltigen Prozesse der Visualisierung und digitalen Aufbereitung von stadtgeschichtlichem Wissen beschreiben und dabei ermitteln, welche M?glichkeiten der historischen Sinnstiftung sich mit der Verknüpfung von Architektur, Sprache und Bild auf einer interaktiven Benutzeroberfl?che er?ffnen.

Im Sommersemester 2014 gestartet, zielt die interfakult?re und interdisziplin?re Kooperation darauf ab, mithilfe einer mobilen Anwendung die Geschichte Paderborns erleb- und erfahrbar zu machen. Und zwar direkt an Ort und Stelle des jeweiligen Bau- oder Kunstwerkes. Die einzelnen Stationen sind dabei in Form von Rundg?ngen organisiert. Aktuell werden bereits Touren zu den Oberthemen Liborius, Kaiser Karl der Gro?e und Bischof Meinwerk sowie zu Stra?en- und Ortsnamen erarbeitet. Das Projekt wurde von Mittelbauvertretern/-innen der Universit?t Paderborn, basierend auf einer Idee von Dr. Markus Greulich, initiiert und umgesetzt: Dr. Katrin Bourrée (Geschichte), Dr. Markus Greulich (Germanistische Medi?vistik), Dr. Nicola Karthaus (Geschichte), Dr. Simon Oberthür (Informatik), Ariane Schmidt M.A. (Kunstgeschichte), Bj?rn Senft M.Sc. (Informatik), Kristina Stog M.A. (Germanistische Linguistik) und Jun.-Prof. Dr. Nicole M. Wilk (Germanistische Linguistik). Der Prototyp wird voraussichtlich im Mai dieses Jahres vorgestellt.

Multimodalit?t und neue Formate

"Das Besondere an der App ist", so Dr. Markus Greulich, Projektkoordinator Kulturwissenschaften, ?dass sie sowohl Forschungsgegenstand als auch Forschungsinfrastruktur ist, die Individualforschung ebenso erm?glicht wie interdisziplin?re kooperative Forschung.“ Geschichte und Kunstgeschichte, germanistische Medi?vistik (mittelalterliche Literatur- und Kulturgeschichte) sowie Linguistik liefern die fachspezifischen Inhalte, darunter beispielsweise mittelalterliche Textzeugen, die in Gegenwartsdeutsch übersetzt werden. Darüber hinaus besch?ftigt sich die germanistische Linguistik zus?tzlich mit neuen Formen der Kulturvermittlung: Die Kombination von Artefakten, Sprechertexten, Fotos, Skizzen und Legenden, die hier die Multimodalit?t ausmacht, führt zu neuen, interaktiven Medienformaten, die von der Informatik technisch umgesetzt werden. Konkret wird dabei der Raum zu einer interaktiven Ressource, in die sich der Nutzer dank 3D-Rekonstruktionen direkt hineinversetzt fühlt. ?Gemeinsam mit der Informatik k?nnen wir diese Verbindung des wahrnehmbaren und digitalen Raumes in verschiedenen multimodalen Konstellationen untersuchen. Gibt es so etwas wie ein spezifisch multimodales Erz?hlen, das sich in dieser mobilen Kommunikationsform herausbildet? Dabei k?nnen von ein und demselben Standpunkt aus ganz unterschiedliche historische Erz?hlungen entstehen“, erl?utert Jun.-Prof. Dr. Nicole M. Wilk die Perspektive der germanistischen Medienlinguistik. Ein innovatives Instrument für diese Darstellung bietet die so genannte Augmented Reality: Mithilfe der App wird ein historisches Objekt ?gescannt‘, anschlie?end werden Informationen auf dem Bildschirm sicht- bzw. h?rbar. Historische Prozesse werden so visualisiert und damit erlebbar gemacht.    

Ein Beispiel: Der HiP-App-Nutzer steht am Paderborner Dom vor dem Paradiesportal und m?chte mit seinem Smartphone oder Tablet mehr über die geschichtlichen Hintergründe erfahren. Er ?ffnet die App und ?scannt‘ das Werk, das durch die Anwendung digital erfasst wird. Der Nutzer erh?lt dann Informationen zum Objekt - beispielsweise als Text oder Bild, als Audiodatei oder Video. Durch Augmented Reality wird der Wahrnehmungseindruck mittels historischer Ansichten erg?nzt, Elemente treten hervor oder werden in neue Sequenzen eingesetzt. ?Gerade in Paderborn ist das Stadtbild heterogen, und es sind viele Verfahren denkbar, die r?umliche Kopr?senz verschiedener Zeitschichten zu veranschaulichen“, so Jun.-Prof. Dr. Nicole M. Wilk.

Gemeinsame Entwicklung der Software

Die Informatik entwickelt und betreibt die Software hierbei nicht im klassischen Sinne, d. h. anhand von zu Projektbeginn definierten Anforderungen, sondern evolutiv in enger Kooperation mit den Kulturwissenschaftlern, erkl?rt Dr. Simon Oberthür, Projektkoordinator Informatik: ?Wir wollen neue Technologien, wie beispielsweise die Augmented Reality, in der HiP-App zur Anwendung bringen. Die Identifikation sinnvoller Einsatzm?glichkeiten und deren konkrete Ausgestaltung in unserem Kontext kann zu Beginn eines Projektes jedoch noch nicht spezifiziert werden. Das ist nur in eng verzahntem Arbeiten und Experimentieren der unterschiedlichen Disziplinen und auch der sp?teren Nutzer m?glich.“ Deshalb werden Prototypen der HiP-App und deren Content Management System iterativ und inkrementell entwickelt sowie regelm??ig gemeinsam ausgewertet. Um diese Prinzipien auf sp?tere Nutzer auszuweiten, sind eine menschzentrierte Entwicklung und ein Vorgehen nach dem DevOps-Ansatz (was für Development & Operations steht) n?tig. Hierbei werden alle Beteiligten in die Prozesse und deren Fortschritte eingebunden. Konkret geht es darum, Entwicklung, Planung und Betrieb enger miteinander zu verzahnen. So ist eine kontinuierliche Erweiterung der Software gew?hrleistet. Realisierung, Erprobung und Reflexion werden dabei zu leitenden Motiven der Arbeitsweise.

Kooperationsprojekt mit Lehrcharakter

Eine weitere Besonderheit des HiP-App-Projekts ist, dass es Forschung, Lehre und Praxis miteinander vereint. Bereits im Anfangsstadium lernen die Studierenden, selbstst?ndig mit Forschungsthemen umzugehen, wissenschaftlich zu arbeiten, zu recherchieren, Daten aufzubereiten und sie zu pr?sentieren. Dabei bietet die Kooperation einen hohen Bezug zur Praxis. Auch ist die Entwicklung der Software an Prozesse aus der Industrie angelehnt und bereitet die Studierenden der Informatik damit besonders gut auf ihre zukünftige Berufst?tigkeit vor.

Künftig soll das Pilotprojekt mit Vorbildcharakter auch für andere historische Epochen weiterentwickelt und mit kunst- und kulturhistorischen Inhalten gespeist werden, die nicht zuletzt die (Re-)Konstruktionsaufgaben der historisch interpretierenden Wissenschaften bewusst machen. Eine Kooperation mit der Stadt Paderborn ist ebenfalls angedacht.

Text: Nina Reckendorf

Weitere Artikel in der Reihe Digital Humanities:

Herausforderungen für die Informatik: Experteninterview mit Prof. Eyke Hüllermeier

Google für Kunsthistoriker: Computern das vergleichende Sehen beibringen

Mozart & Co. digital: Tablets statt Notenbl?tter

Das Spiel mit den Buchstaben: Graffitis als Forschungsgegenstand

 

Foto (Universit?t Paderborn, Ariane Schmidt): Digitale Kulturwissenschaften - Augmented Reality: Im Lehr- und Forschungsprojekt ?Historisches Paderborn’-App entwickeln Informatiker und Kulturwissenschaftler eine App zur Erkundung des historischen Pad
Foto (Universit?t Paderborn, Ariane Schmidt): Digitale Kulturwissenschaften - Augmented Reality: Im Lehr- und Forschungsprojekt ?Historisches Paderborn’-App entwickeln Informatiker und Kulturwissenschaftler eine App zur Erkundung des historischen Paderborns, die Nutzern beispielsweise ikonographische Aspekte am mittelalterlichen Paradiesportal des Doms vor Augen führt. Gelb gekennzeichnet: Apostel Jakobus der ?ltere (Jacobus Major) erkennbar an der von ihm gehaltenen grün markierten Muschel (sog. Jakobsmuschel).
Foto (Universit?t Paderborn, Ariane Schmidt): Raum als Ressource: Die HiP-App macht Geschichte erlebbar.

Contact

business-card image

Dr. Markus Greulich

Institut für Germanistik und Vergleichende Literaturwissenschaft

Write email +49 5251 60-2895
business-card image

Dr. Simon Oberthür

Database and Information Systems

Senior Researcher