Experteninterview: Herausforderungen für die Informatik
Digitale Kulturwissenschaften gewinnen auch an der Universit?t Paderborn immer mehr an Bedeutung: In einem Themenspecial stellen wir in dieser Woche beispielhaft Projekte bzw. Forschungsverbünde unserer Wissenschaftler vor. Prof. Dr. Eyke Hüllermeier ist selbst an zwei interdisziplin?ren Projekten beteiligt und erkl?rt grunds?tzliche Herausforderungen aus der Perspektive der Informatik.
Die Kombination aus Kulturwissenschaften und Informatik: Was kann ich mir darunter vorstellen?
Die Digital Humanities nutzen Methoden der Informatik und Techniken der digitalen Informationsverarbeitung, um kulturwissenschaftliche Forschungsprozesse zu unterstützen oder überhaupt m?glich zu machen. Das beginnt im einfachsten Fall mit der systematischen Speicherung von Daten, die immer effizienter und kostengünstiger wird. Kulturwissenschaftler k?nnen mithilfe von Datenbanken digitale Archive ihrer Forschungsgegenst?nde – ob Texte, Bilder oder Musik – aufbauen, um auf diese Weise Quellen und ?berlieferungen zu bewahren und in neuem Umfang zu erforschen. Die Informationstechnologie wird also auch für die Kulturwissenschaften ein immer wichtigeres Werkzeug. In anderen Disziplinen wie den Natur- oder Wirtschaftswissenschaften gibt es ganz ?hnliche Entwicklungen schon l?nger. Hier haben sich F?cherkombinationen wie die Bioinformatik oder Wirtschaftsinformatik fest etabliert.
Ist die Informatik also eine Hilfswissenschaft für diese F?cher?
Ich würde sagen: Wir geben unseren Kolleginnen und Kollegen Werkzeuge zur Informationsverarbeitung an die Hand, die ihnen in ihrer eigenen Forschung neue M?glichkeiten er?ffnen. Das ist in etwa so, als wenn man einem Zellbiologen ein neues Mikroskop gibt, mit dem er Dinge beobachten und Erkenntnisse gewinnen kann, die ihm vorher nicht zug?nglich waren. Insofern kann man durchaus sagen, dass wir für die Kulturwissenschaften eine Hilfswissenschaft sind, und daran ist auch nichts ehrenrührig – auch die Mathematik spielt die Rolle einer Hilfswissenschaft für die Physik. Aber wir verstehen uns natürlich nicht nur als Dienstleister sondern wollen auch in eigener Sache vorankommen. An einer Zusammenarbeit sind wir deshalb insbesondere immer dann interessiert, wenn sich durchaus für uns anspruchsvolle Fragestellungen und Forschungsbedarf innerhalb der Informatik ergeben.
Was sind solche Fragestellungen, die die Informatik voranbringen?
Das Erfassen, Sichern und Bereitstellen von Daten ist die erste Stufe der digitalen Informationsverarbeitung. Für uns spannend wird es aber vor allem mit der Frage: Was kann man mit diesen Daten anfangen? Wie kann man Verfahren entwickeln, mit denen sich Texte, Bilder oder Noten vom Computer systematisch analysieren lassen? Sehr gut funktioniert das schon mit Texten, sowohl auf syntaktischer als auch semantischer Ebene. Die automatische Erkennung von Bildinhalten ist dagegen noch deutlich schwieriger. Eine zentrale Fragestellung für mein Fachgebiet, Intelligente Systeme, ist vor allem, wie der Computer aus Erfahrung lernen und so seine Analysekompetenz selbst?ndig verbessern kann. Das funktioniert mithilfe maschineller Lernverfahren, denen man Beispiele zeigt und daraus Gesetzm??igkeiten ableiteten l?sst, oder Korrekturhinweise gibt, wenn das Programm einen Fehler gemacht hat. Etwas derartiges erproben wir derzeit zum Beispiel in einem sprachwissenschaftlichen Projekt, in dem das System Ver?nderungen der grammatikalischen Struktur des Mittelniederdeutschen teilautomatisiert entdecken und nachvollziehen soll. Spannend ist aber nicht nur die Frage, wie Computer beim Analysieren von Daten und existierender Artefakte helfen k?nnen, sondern auch, ob wir ihnen beibringen k?nnen, selbst kreativ zu sein und zum Beispiel Texte oder Musik zu erschaffen. Die Digital Humanities bleiben auf jeden Fall ein spannendes Feld und es mangelt nicht an Herausforderungen für die Informatik.
Interview: Frauke D?ll
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