Wel­che Rol­le spielt der Mensch im Zeit­al­ter der Tech­nik und in der zu­künf­ti­gen di­gi­ta­li­sier­ten Ar­beits­welt?

 |  Forschung

Diskurse über Mensch und Maschine von den 1920er- bis zu den 2020er-Jahren: Humanistische Ideen in Management und Kultur angesichts neuer Technik

Von der Dampfmaschine über das Flie?band bis hin zu Robotern und künstlicher Intelligenz: Im Laufe der Zeit haben immer mehr Maschinen Aufgaben übernommen, die früher Menschen erledigt haben. Heute ver?ndern Algorithmen die Arbeitswelt. Durch technologischen Wandel kommt es immer wieder zu Umbrüchen, die das Bild und die Rolle des Menschen in Wirtschaft und Gesellschaft infrage stellen. Konfrontiert mit der fortschreitenden Industrialisierung wurde das ?Humane“ in den vergangenen 100 Jahren intensiv diskutiert. Aktuell ist die Debatte erneut entfacht. Im Zuge der vierten Industriellen Revolution – bei der Menschen, Maschinen und Produkte intelligent miteinander vernetzt sind – stellt sich die Frage: Wie werden Menschen in der künftigen, zunehmend digitalisierten Arbeitswelt gesehen? Mit diesem Thema besch?ftigen sich Paderborner Kultur- und Wirtschaftswissenschaftler*innen gemeinsam mit Forschenden aus Italien und Frankreich in einem neuen Projekt. Um Strategien und L?sungen für die zukünftige Personalführung und Gesellschaftspolitik zu entwickeln, vergleichen sie Debatten aus zwei historischen Zeitr?umen, die wichtige Etappen im Modernisierungs- und Technisierungsprozess markieren: die 1920er- und die 2020er-Jahre.

Das Pr?sidium der Universit?t Paderborn hat das Projekt ?Diskurse über Mensch und Maschine von den 1920er- bis zu den 2020er-Jahren“ für die Aufnahme in das Paderborner Wissenschaftskolleg ?Data Society“ ausgew?hlt. Ziel ist es, durch eine Anschubfinanzierung interdisziplin?re Forschungsvorhaben und internationale Kooperationen zu einem für die Gesellschaft wichtigen Zukunftsthema zu f?rdern. Das vorgesehene Forschungssemester für das Projekt beginnt im April 2023.

Humanistische Ideen vor 100 Jahren und heute
 

?Im Zuge der fortschreitenden Industrialisierung wurden Fragen nach dem ?Humanen‘ und der Tragf?higkeit eines Humanismus nach dem Vorbild von Antike und Renaissance in den Literatur- und Kulturwissenschaften prominent diskutiert. Heute wird im Zuge der Digitalisierung die Debatte über Mensch und Maschine von einem neuen Startpunkt aus geführt. Wie schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts sehen Intellektuelle, Wissenschaftler*innen und Expert*innen sowohl Chancen als auch massive Gefahren des technologischen Wandels für den Menschen als vernünftiges, aber auch gef?hrdetes Wesen“, erkl?rt Prof. Dr. Claudia ?hlschl?ger, Professorin für Vergleichende Literaturwissenschaft und Intermedialit?t an der Universit?t Paderborn als eine Leiterin des Projekts.

Besonders krisenhaft waren die 1920er-Jahre: Aufbauend auf Fortschritten in den Bereichen Maschinenbau und Elektrifizierung vervollkommnete sich die industrielle Massenfertigung in Gro?betrieben. Unter dem Eindruck dieses Transformationsprozesses, der sich auch auf die Technik der Kriegsführung w?hrend des Ersten Weltkriegs auswirkte, setzte eine humanistische Wende ein. Fortan sollten der Mensch und sein Verh?ltnis zur Technik im Mittelpunkt stehen. Bis heute pr?gen humanistische Ans?tze auch Ideen der Personalführung sowie Managementliteratur und -praxis. Angesichts technisierter Prozesse geh?ren emotionale Kompetenzen wie Empathie ebenso zu einer humanen Personalführung wie eine gesundheitsschonende Gestaltung des Arbeitsplatzes oder die F?rderung von individuellen Entwicklungsm?glichkeiten.

100 Jahre sp?ter wird im Zuge unserer digitalisierten Welt die Debatte um Mensch und Maschine erneut, jedoch unter anderen Voraussetzungen und Herausforderungen geführt. ??Digitaler Humanismus‘ oder ?humanistische Führung‘ in der digitalisierten Arbeitswelt sind Schlagworte aktueller Diskussionen“, so Prof. Dr. Martin Schneider, Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Personalwirtschaft der Universit?t Paderborn, der das Projekt zusammen mit Claudia ?hlschl?ger leitet. ?Im Zuge von Industrie 4.0 befürchten einige Massenarbeitslosigkeit, andere sehen Technologien aufziehen, die Menschen entweder zu Cyborgs machen, sie ganz ersetzen oder sogar das Ende der Gattung Mensch bedeuten k?nnten“, schildert der Wirtschaftswissenschaftler.

Personalführung im digitalen Zeitalter
 

Indem die am Projekt beteiligten Wissenschaftler*innen die Diskussionen der 1920er- und 2020er-Jahre analysieren, sollen Unterschiede und Parallelen erkennbar werden, die Antworten auf folgende Fragen liefern: Was k?nnen wir heute aus den Debatten früherer Maschinenzeitalter lernen? Wie und wodurch wird der Begriff des ?Humanen“ damals und heute in kulturwissenschaftlichen, literarischen und anthropologisch-philosophischen Diskussionen gepr?gt? W?hrend sich ?hlschl?ger zusammen mit PD Dr. Alexander Dunst vom Institut für Anglistik und Amerikanistik der Universit?t Paderborn und Prof. Dr. Isolde Schiffermüller von der italienischen Universit?t Verona den kulturwissenschaftlichen Fragen widmet, gehen Schneider, Prof. Dr. Kirsten Thommes, Professorin für Organizational Behavior an der Universit?t Paderborn, und Prof. Dr. Sabine Bacou?l-Jentjens von der franz?sischen ISC Paris Grand ?cole ?konomischen Fragestellungen nach: Wie werden die Begriffe des ?Humanen“ in der Führungsforschung aufgegriffen? Wie werden geschlechtsspezifische Effekte von Digitalisierung diskutiert? Welche Herausforderungen werden heute an eine humanistische Personalpolitik herangetragen?

W?hrend des Forschungssemesters soll u. a. eine Ringvorlesung dazu dienen, mit Personen aus Wissenschaft, Kultur und Managementpraxis in einen interdisziplin?ren Dialog zu kommen. Durch die Untersuchungen wollen die Forschenden kreative L?sungen für die künftige Personalführung in einer digitalisierten Arbeitswelt finden, die sich aus kulturwissenschaftlichen Debatten des Humanen ableiten lassen.

Paderborner Wissenschaftskolleg ?Data Society“
 

Das 2020 initiierte Paderborner Wissenschaftskolleg ?Data Society“ richtet sich an Wissenschaftler*innen ab der Postdoc-Phase aus s?mtlichen Disziplinen der Universit?t Paderborn. Durch die Aufnahme in das Kolleg unterstützt das Pr?sidium sie dabei, gemeinsam mit externen Kolleg*innen ausl?ndischer Universit?ten oder Forschungseinrichtungen ein interdisziplin?res und internationales Forschungsvorhaben im Bereich Digitalisierung umzusetzen. Die Bewerbungsfrist für die n?chsten Phasen (Start jeweils Oktober 2023 und April 2024) ist der 14. Oktober dieses Jahres. Die F?rderbedingungen sowie weitere Informationen zu bereits gef?rderten Projekten, sind auf der Internetseite des Paderborner Wissenschaftskollegs ?Data Society“ und auf der Internetseite der Kommission für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs zu finden.

Foto (Universit?t Paderborn, Matthias Groppe): Symbolbild. In einem neuen Projekt besch?ftigen sich Wissenschaftler*innen der Universit?t Paderborn mit der Frage, welche Rolle der Mensch im Zeitalter der Technik spielt und wie seine Rolle in der zukünftigen digitalisierten Arbeitswelt aussehen wird.
Foto (Verena Neuhaus): Prof. Dr. Claudia ?hlschl?ger ist Professorin für Vergleichende Literaturwissenschaft und Intermedialit?t an der Universit?t Paderborn und eine Leiterin des Projekts.
Foto (Universit?t Paderborn): Prof. Dr. Martin Schneider, Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Personalwirtschaft der Universit?t Paderborn, leitet das Projekt zusammen mit Prof. Dr. Claudia ?hlschl?ger.

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