Neues Forschungsprojekt an der Universit?t Paderborn nimmt Prüfungen und Selbstorganisation von Studierenden in den Blick
Die Coronapandemie hat es nochmal deutlich gezeigt: Die Digitalisierung der Hochschullehre ist eine Herausforderung, die es schnellstm?glich zu bew?ltigen gilt. Neben technischen Hürden haben sich insbesondere auch Ungleichheiten in den Lernvoraussetzungen der Studierenden herauskristallisiert. Um den Einsatz digitaler Hilfsmittel zur F?rderung von Selbststeuerung, Feedback und die Integration nicht-kognitiver Aspekte in die Prüfungskultur zu verbessern, haben Wissenschaftler*innen der Universit?t Paderborn das Projekt ?DigiSelF“ initiiert. Es zielt darauf ab, Erfahrungen der digitalen Distanzlehre zu nutzen, um Konzepte für das Lernen und Lehren in komplexen, hybriden Lehr-/Lernsettings zu entwickeln. Das auf drei Jahre angelegte Vorhaben kann am 1. August starten und wird von der ?Stiftung Innovation in der Hochschullehre“ mit rund 2,3 Millionen Euro unterstützt.
Die ?Corona-Semester“ haben zahlreiche Konzepte für die digitale Lehre hervorgebracht – gleichzeitig aber auch bestehende Ungleichheiten zwischen Studierenden in Distanzsettings verst?rkt. ?Es genügt nicht, gute Lehrangebote zu schaffen, die Studierenden müssen auch spezifisch und individuell dabei unterstützt werden, mit diesen komplexen Angeboten produktiv umzugehen. Das gilt für die Distanzlehre in besonderem Ma?e, ist für die Gestaltung anspruchsvoller Pr?senz- bzw. Hybridsettings aber genauso bedeutsam. Es geht dabei vor allem um F?higkeiten zur Selbststeuerung von Lernprozessen, die auch beim ?bergang ins Studium wichtig sind. Eine besondere Rolle spielt dabei das digitale Prüfen. Durch umfassendes Assessment-Feedback bieten Prüfungen die M?glichkeit zur Selbst- und Fremd-Diagnostik“, erkl?rt Prof. Dr. Tobias Jenert vom Paderborner Department Wirtschaftsp?dagogik. Das Problem: In den ?Corona-Semestern“ verst?rke sich laut Jenert eine Tendenz, digitales Prüfen vorrangig als Leistungskontrolle kognitiver Lerninhalte auszulegen. Die Diagnose- und Feedbackfunktion zur Unterstützung trete dabei weitestgehend in den Hintergrund, erschwert durch den reduzierten Kontakt zwischen Lehrenden und Lernenden. Komplexe Online-Prüfungssettings k?nnen Studierende aber allein schon deshalb überfordern, weil ihnen umfangreiche F?higkeiten der Selbstorganisation abverlangt werden, die bei der Auswertung mit der eigentlichen fachlichen Testleistung vermischt werden, so Jenert weiter.
Bei DigiSelF sollen deshalb digitale Ma?nahmen zum produktiven Umgang mit der Heterogenit?t der Studierenden in Bezug auf drei F?higkeitsbereiche des selbstgesteuerten Lernens entstehen. ?Wir entwickeln Formen der kognitiven und motivationalen Unterstützung beim Lernen, aber auch Konzepte zur Unterstützung metakognitiver Kompetenzen und des Ressourcenmanagements von Studierenden. Digitale Werkzeuge bieten echte Chancen, aufw?ndiges Feedback zu digitalen Prüfungen mindestens teilautomatisiert und damit effektiv zu generieren“, erl?utert Prof. Dr. Christoph Kulgemeyer, Leiter der Arbeitsgruppe ?Didaktik der Physik“. Dabei bauen die Wissenschaftler*innen auf den Erfahrungen der vergangenen Corona-Semester auf: ?In einer universit?tsweiten Befragung gaben zum Beispiel 24 Prozent von rund 1200 befragten Studierenden Einschr?nkungen im Internetzugang an, 30 Prozent fühlten sich durch die Online-Lehre gestresst und 46 Prozent belegten weniger Veranstaltungen als geplant. Eine Studie unserer wirtschaftswissenschaftlichen Fakult?t mit rund 850 Studierenden ergab zudem bedeutsame Korrelationen zwischen der Selbstorganisationsf?higkeit, der wahrgenommenen Qualit?t der Distanzlehre und der Belastung durch Distanzlehre. Diese Ergebnisse stützen unsere These, dass Selbstorganisationsf?higkeiten eine wichtige Voraussetzung für Erfolg in der Fernlehre sind“, so Kulgemeyer weiter. Bei dem Vorhaben sollen au?erdem sogenannte studentische ?Culture Fellows“ erg?nzend zwischen Lehrenden und Studierenden vermitteln, um ein Bewusstsein für Ungleichheiten auf beiden Seiten zu schaffen.
Das Projekt führt verschiedene lehrbezogene Innovationen zusammen und erm?glicht eine Vernetzung der beteiligten Akteur*innen sowie den nachhaltigen Transfer in die Praxis. Digitale Technologien werden dabei nicht isoliert, sondern zusammen mit hochschuldidaktischen Unterstützungs- und Begleitstrukturen etabliert. DigiSelF umfasst insgesamt zw?lf Einzelvorhaben, die sich über alle Fakult?ten der Universit?t erstrecken. So werden die entwickelten Konzepte zur Digitalisierung der Hochschullehre in die Breite der F?cher getragen.
Nina Reckendorf, Stabsstelle Presse, Kommunikation und Marketing