SeiP - De­tail­bes­chreibung

Das Projekt SeiP fokussiert (aus-)bildungsbenachteiligte Jugendliche im Rahmen bestehender Differenzlinien von Geschlecht, kulturellem Kontext (Migration), Prekarit?ten (Armut, Fluchterfahrung) bis zu sonderp?dagogischen Unterstützungsbedarfen und umfasst damit bestehende Heterogenit?ten von Jugendlichen, die am ?bergang Schule-Beruf stehen. Im Berufsbildungssystem ist diese Zielgruppe im Bereich der Berufsausbildungsvorbereitung (§1(2) sowie §68 BBiG) besonders stark vertreten. Prim?r zielt das Projekt auf eine f?rderorientierte Kompetenzerfassung, die  u.E. einen st?rken- bzw. ressourcenorientierten und gleichzeitig alltagsintegrierbaren Ansatz erfordert. Die Prinzipien Selbststeuerung/Selbstbestimmung rücken wir bewusst ins Zentrum. Multimodale, d.h. insbes. offene und kreative Selbstdarstellungs- und Erhebungsformate er?ffnen den Jugendlichen M?glichkeiten, ihre St?rken zu ergründen und insbesondere sichtbar zu machen. Die Kompetenzerfassung wird damit selbst zum Entwicklungs-/Lernprozess. Lehrende und betriebliche Akteure sind bei der Dokumentation, Rezeption und Nutzung der Ergebnisse zu unterstützen: Es geht um die sinnvolle Einbindung in Lern-/Entwicklungsprozesse sowie ihre anschlussf?hige Aufarbeitung für Prozesse des ?bergangs in Ausbildung/Arbeit und damit berufliche Teilhabe. Im Projekt werden geeignete Rahmenkonzepte systematisch aufgenommen und in Praxiskontexten erprobt. Ausgehend von einem designbasierten Forschungs- und Entwicklungsansatz wird eine sogenannte Innovationsarena (Kremer 2014) installiert, die wissenschaftliche Expertise, Praxis- und Netzwerk- bzw. Transferpartner*innen zusammenführt. Projektbegleitend werden systematisch Gelingensbedingungen identifiziert, die wiederum in die Entwicklung eines wissenschaftlich fundierten Prototyps eingehen. Flankierend wird eine Professionalisierung der beteiligten Akteure durch ein kollegiales Weiterbildungsformat eingebunden, das eine multiprofessionelle Aufarbeitung des Verst?ndnisses von Benachteiligung, Partizipation und Teilhabe der adressierten Jugendlichen im ?bergang Schule-Beruf  erm?glicht.  

I.   Ziele 

Das Projekt nimmt Ans?tze einer entwicklungsorientierten, alltagsintegrierten St?rkenanalyse auf, um Ressourcen von (aus-)bildungsbenachteiligten Jugendlichen aufzudecken und diese anschlussf?hig in Prozessen des ?bergangs von Bildungsma?nahmen in Ausbildung/Arbeit zu nutzen. Ergebnisse aus selbstgesteuerten/selbstbestimmten multimodalen (z.B. graphischen, videobasierten, kreativen) Darstellungs- bzw. Erhebungs-/ Feststellungsverfahren bieten im Gegensatz zu klassischen (z.B. quantitativ-geschlossenen) Testverfahren bessere Ansatzpunkte, um Kompetenzen aufdecken, Entwicklungspfade und 
-potenziale aufarbeiten und anhaltenden Passungsproblemen als einer nach wie vor wichtigen Herausforderung (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2020, 151) entgegenwirken zu k?nnen. Klassische Instrumente nehmen h?ufig eine defizitorientierte Perspektive auf und erfordern eine sprachlich-textliche Auseinandersetzung und Aufarbeitung – Praktiken, die die Zielgruppe oftmals nicht ausreichend beherrscht, wodurch sie von diversen ausbildungsvorbereitenden Ma?nahmen ausgeschlossen werden, sich Ma?nahmenkarrieren verfestigen (Burkard, Euler, H?rle, Severing 2019) und sich die Dimensionen der (Aus-) 
bildungsbenachteiligung eben dieser Jugendlichen erh?hen. 

Die (selbstreflexive) Erschlie?ung von pers?nlichen St?rken und deren lernf?rderliche bzw. berufsbiografische Verwertung sind mit Herausforderungen verbunden. Und wenn Ressourcen im Rahmen der Kompetenzfeststellung identifiziert werden, gelingt es Lehrenden oftmals nicht, die Ergebnisse für die Entwicklung individuell f?rderlicher Lernumgebungen zu nutzen. Weiterhin besteht die Herausforderung, diese Ergebnisse für die Ausbildungs-/Arbeitgeber*innenseite nachvollziehbar zu verdeutlichen und Anschlüsse erkennbar zu machen. 

Wir sehen in multimodalen Instrumenten zur Selbstinszenierung gro?es Potenzial, die bestehenden St?rken der Jugendlichen erfahrbar, sichtbar und verwertbar zu machen. Die systematische Einbindung schulischer und betrieblicher Praxispartner*innen sowie Akteure des ?bergangsmanagements kann dazu beitragen, die Teilhabebarriere und das Exklusionsrisiko der Jugendlichen am ?bergang in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt zu verringern. 

Das Projekt schlie?t an Arbeiten zur Gestaltung entwicklungsf?rderlicher Kompetenzdiagnose (vgl. Frehe 2015), Selbstinszenierungspraktiken im ?bergangssystem (Schwabl 2019, Kremer 2018) sowie an Gelingensbedingungen inklusionsbezogener Praktiken (Laubenstein, Lindmeier, Guth?hrlein, Scheer 2015; Scheer, Laubenstein 2018; Guth?hrlein, Laubenstein, Lindmeier 2019, Frehe-Halliwell / Kremer 2018) an, aber auch bisher ausgeblendete Problemlagen werden mit den folgenden Ma?nahmenbereichen aufgenommen:  

  1. Prototypische Ans?tze zur selbstbestimmten Kompetenzfeststellung   
    Verfahren zur Selbstinszenierung in Bild und Film bieten vielversprechende Ansatzpunkte, da sie über rein sprachbasierte Darstellungsformen hinausgehen. Verfahren dieser Art werden systematisch erfasst. ?ber prototypische Designprozesse werden grundlegende Prinzipien zur Gestaltung einer entsprechenden Diagnoseumgebung aufgearbeitet.   
    Der Prototyp wird als Rahmenkonzept durch die wissenschaftliche Begleitung bereitgestellt und über die Umsetzungen in der Praxis weiter differenziert. Die Prim?rverantwortung hat die Universit?t Jena inne, da hier direkt an Vorarbeiten angesetzt werden kann. Die Universit?t Paderborn nimmt das Rahmenkonzept auf bzw. tr?gt über grundlegende theoretisch-konzeptionelle Ausarbeitungen bei. 
     

  2. Gelingensbedingungen zur Implementation  
    Die Selbstinszenierungen k?nnen ein wichtiger Bestandteil zur Selbstpr?sentation im ?bergang in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt insbesondere für (aus-)bildungsbenachteiligte Jugendliche sein. Gelingensbedingungen für die beteiligten Akteure sind hierbei zu identifizieren und systematisch zu erfassen.  
    Der federführende Projektpartner, Prof. Dr. Desiree Laubenstein, kann in diesem Bereich auf umfassende Vorarbeiten zurückgreifen und stellt sicher, dass die Bedingungen sonderp?dagogischer Handlungsfelder in besonderem Ma?e berücksichtigt werden k?nnen. Die Universit?t Jena bringt hier aus der Designforschung, Prinzipien zur Entwicklung, Gestaltung und Implementation von Prototypen ein.    
     
  3. Fortbildungs- und Studienumgebung  
    Die Projektentwicklung nimmt eine Personal- und Organisationsentwicklung auf, welche Basis für die Erarbeitung von Professionalisierungsformaten im Rahmen einer kollegialen Weiterbildung (vgl. Kundisch 2020) für die beteiligten Akteure zur Rezeption und Aufarbeitung entwicklungsf?rderlicher und teilhabeorientierter Kompetenzerfassung ist. Die Entwicklung der Konzeption wird über universit?re Forschungs- und Entwicklungsmodule getragen.   
    Die Weiterbildungskonzeption schlie?t die reflexive Auseinandersetzung eines professionsbezogenen Inklusionsverst?ndnisses ebenso ein, wie eine entsprechende Auseinandersetzung mit selbstgesteuerten/selbstbestimmten multimodalen Darstellungs- bzw. Erhebungs-/ Feststellungsverfahren, der Nutzbarmachung dadurch identifizierter Ressourcen für eine Entwicklung individuell f?rderlicher Lernumgebungen sowie mit der Herausforderung, diese Ergebnisse für die Ausbildungs-/Arbeitgeber*innenseite nachvollziehbar zu verdeutlichen und Anschlüsse erkennbar zu machen,   
    Die prim?re Verantwortung für diesen Entwicklungsbereich hat die Universit?t Paderborn, Prof. Dr. H.-Hugo Kremer. Damit kann eine Anbindung an die Gestaltung der Innovationsarena sichergestellt werden. Die kollegiale Weiterbildung erfordert eine Einbindung der sonderp?dagogischen Expertise und der Bezugnahme auf das Rahmenkonzept. Studienelemente werden von den Projektpartnern an der Universit?t Paderborn (Prof. Dr. D. Laubenstein; Prof. Dr. H.-Hugo Kremer) und Universit?t Jena (Prof. Dr. Petra Frehe-Halliwell) eingesetzt. Damit kann ein wichtiger Bezugspunkt zur Qualifizierung des Bildungspersonals hergestellt werden, die dokumentarische Zusammenführung erfolgt unter Koordination des federführenden Projektpartners.  

Das Projekt hebt Aspekte der Kompetenzfeststellung und entwicklungsf?rderlicher Diagnose hervor. Dabei sollen Kompetenzen, lebensweltliche und pers?nliche Lernausgangslagen und Wege des Kompetenzerwerbs eine besondere Berücksichtigung erfahren. Die aufgezeigten Ma?nahmenbereiche nehmen unter Bezugnahme spezifischer Handlungsfelder die prototypische Entwicklung und Anforderungen einer alltagsintegrierten Kompetenzfeststellung auf. Dabei wird ein besonderer Beitrag zur (1) (Weiter-)Entwicklung f?rderrelevanter diagnostischer Verfahren und Instrumente geleistet; (2) deren Verwendung in Anwendungskontexten und (3) zur Fortentwicklung von theoretischen und praxisbezogenen Inhalten im Rahmen der Qualifizierung des Bildungspersonals. Der designbasierte Forschungs- und Entwicklungsansatz verschr?nkt über die Prototypenentwicklung Grundlage- und Anwendungsforschung.