Forschungsprogramm der ersten Bewilligungsphase
Automatismen
Strukturentstehung au?erhalb geplanter Prozesse in Informationstechnik, Medien und Kultur
Zusammenfassung
Automatismen sind definiert als Abl?ufe, die sich einer bewussten Kontrolle weitgehend ent?ziehen. Die Psychologie kennt Automatismen im individuellen Handeln; die Sozio?lo?gie unter?sucht Prozesse der Habitualisie?rung und der Konventionalisierung, ?kono?men haben den Markt als einen Automatismus beschrie?ben.
Automatismen bringen – quasi im Rücken der Beteiligten – neue Strukturen hervor; dies macht sie interessant als ein Entwicklungsmodell, das in Spannung zur bewussten Ge?staltung und zu geplanten Prozessen steht. Automatismen scheinen insbesondere in ver?teilten Systemen wirksam zu sein; Automatismen sind technische bzw. quasi-technische Abl?ufe; gleichzeitig stehen sie in Spannung zum Konzept des technischen Automaten.
Das Graduiertenkolleg will Dissertationsprojekte versammeln, die Automatismen im Feld der Medien, der Informationstechnik und der Kultur untersuchen, und zwar material?analytisch, mit den Mitteln der Theorie oder der ingenieurm??igen Konstruktion. Das Kolleg ist interdisziplin?r angelegt: Auf Seiten der Betreuer/innen sind Kultur- und Sozi?al?wissenschaften, Medien?wissen?schaften, Literatur- und Filmwissenschaft sowie die In?formatik beteiligt; konstitutiv ist der Brückenschlag zwischen Kulturwissenschaft und Informatik. Die Promoven?d/innen sollen ebenfalls aus den genannten Feldern kommen.
Forschungskonzept
Forschungskonzept
Automatismen im Sinne des Graduiertenkollegs sind, wie Technologien, Praktiken der Formung und Formierung, die in Kategorien der Funktion zu denken sind, wenngleich sie sich nicht auf eine im Voraus berechenbare Rationalit?t reduzieren lassen. Automatismen sind unhintergehbar und über?steigen den Horizont jeder subjektiven, willentlichen Ver?füg?barkeit. 365体育_足球比分网¥投注直播官网 fügen sich zwar zu einem Regime hoch?wirksamer ?Logiken’ zusammen, ihre Wirkungen sind aber (aufgrund der unüberschaubaren Pluralit?t der beteiligten Kr?f?te) in gewisser Weise Zufallseffekte. 365体育_足球比分网¥投注直播官网 verdanken sich nicht dem Willen eines planvoll handelnden Subjekts, der sich in ihnen manifestiert, sondern sind Bestandteil eines wirk?m?chtigen Arran?gements von Dingen, Zeichen und Subjekten.
Im so skizzierten Rahmen k?nnen konkrete Medienph?nomene auf neue Weise betrachtet werden. Das Graduiertenkolleg will Dissertationsprojekte versammeln, die Automatis?men im Feld der Medien, der Informationstechnik und der Kultur untersuchen. Anknüp?fungspunkt sind aktuelle Beobachtungen im Feld der Kultur, mediale und gesellschaft?liche Ph?no?mene, zu denen die These des Graduiertenkollegs einen neuen Zugang er?laubt; hier kann die Kultur?theorie etablierte Modelle und Konzepte beisteuern; gleich?zeitig ist es das Ziel, tech?nische L?sungen als Erfah?rungs?bereich, und die theoretischen Konzepte der Informatik als Dialogpartner kulturwissen?schaft?licher Ans?tze zu nutzen.
Teilbereiche und Projekte
Der Forschungszusammenhang des Graduiertenkollegs orientiert sich an bestimmten erkennt?nis?leitenden Hypothesen, die im Vorfeld erarbeitet wurden und die, je nach Be?darf und Frage?stellung, in den Promo?tions?projekten aufgegriffen und weiterentwickelt werden sollen. 365体育_足球比分网¥投注直播官网 dienen dazu, das Konzept der Automatis?men zu konkretisieren.
1. Verteilter Charakter: Grundhypothese ist, dass Automatismen vor allem dort zum Tragen kommen, wo verschie?dene Akteure ohne zentrale Lenkung von einander unab?h?ngig handeln. Innerhalb der Medien scheinen es vor allem die Nutzungs?prozesse zu sein, die strukturgenerierend wirken und die ein bottom-up-Ansatz entsprechend berück?sichtigen muss. Im Feld der Technik sind es die verteilten Systeme, die hier besonders relevant sind.
2. Die Frage nach dem Selbst: Mit den Automatismen zwangsl?ufig verbunden – der griechische Wortstamm ?auto-’ spricht es aus – ist die Frage nach dem Selbst und nach den Bedingungen, die es hervor?bringen. Der tradi?tionelle Verweis auf das Subjekt ist irritiert worden durch die subjekt?kritischen Ans?tze der Philosophie; im Feld der Technik durch die Künst?liche Intelligenz und die Robotik, und in jüngerer Zeit durch die Technik?theorie etwa Latours, dessen Akteur-Netzwerk-These zwischen mensch?lichen und tech?nisch-apparativen Aktanten nicht mehr trennt.
In diesem Feld bestehen umfangreiche Vorarbeiten vor allem zur Frage, auf welche Weise Subjekt?konstitution und gesellschaftlich-mediale Prozesse sich wechselseitig bedin?gen. Technologien des Selbst, Selbstmanagement und Selbststilisierung haben an gesell?schaft?licher Bedeutung gewonnen und werden in soziologischem wie in medien?p?dagogischem Rahmen behan?delt.
3. Akkumulation / Emergenz: Dritte Grundhypothese ist, dass innerhalb von Auto?matis?men quan?tita?tive Prozesse eine Rolle spielen. Neue Strukturen scheinen u. a. durch Pro?zes?se der Ku?mulation zu ent?stehen. Die Lastmodelle der Informatik bieten hierfür eine Grund?lage; die Kultur?wissen?schaft kann dies erg?nzen z.B. durch Modelle der Ge?d?cht?nistheorie und der Kon?ventionalisierung, die die konstitutive Rolle z.B. der Wieder?holung betonen.
Die drei genannten Grundhypothesen tragen den Forschungszusammenhang; das Gradu?ier?ten?kolleg wurde diesen Hypothesen entsprechend in Teilbereiche und Projekte geglie?dert. Die Projekte operationalisieren die Fragen des Graduiertenkollegs. 365体育_足球比分网¥投注直播官网 sind Teil des Forschungs?ansatzes und stellen den Rahmen für m?gliche Dissertationsprojekte dar:
Der erste Teilbereich folgt der These, dass Automatismen vor allem dort zum Tragen kommen, wo dis?per??se, dezental verteilte Handlungstr?ger ohne direkte Abh?ngigkeit von?ein?ander agieren. Wo ein strikter institutio?neller Rahmen fehlt, stiften Kommuni?kati?ons?prozesse, Tausch und Austausch, das Netz, das die Handlungstr?ger verbindet. Der Teil?bereich soll erforschen, wie, wo und wann Kommunikation ?auto?matisiert’ in Struk?tur?bildung übergeht.
1.1 Verteilte und mobile Systeme
Ein besonderer Denkanreiz für das Graduiertenkolleg sind ?verteilte Systeme’, mit denen die Infor?matik sich in zunehmendem Ma? besch?ftigt. Zwei Mitglieder des Kollegs (Meyer auf der Heide und Karl) arbeiten speziell in diesem Bereich. Von den Netzen der Mobil?funks über so genannte ad hoc Netze bis hin zu Waren, die mittels RFID-Etiketten ?spontan’ miteinan?der kommu?ni?zie?ren – die Ent?wickler verteilter Systeme sehen sich beson?deren Anforde?run?gen gegen?übergestellt. So sind diese mit ihrem Nutzungs?prozess auf v?llig neue Weise verwoben; die Struk?tur?muster, die entstehen, entstehen weit?gehend unge?plant, als Auto?ma?tismen; die Entwickler finden sich in einer neuen Position der Beob??ach?tung wie?der.
Ziel des Projekts ist es, verteilte Systeme analog zu sozialen Systemen neu zu be?schrei?ben. Es sollen Modelle entwickelt werden, wie unter einem verall?gemei?ner?ten Informati?onstransaktionsbegriff die Ausbreitung von Information in in?for?mel?len Netzen geschieht. Dabei sind (u. a.) ein verallge?meiner?tes Kostenmodell und ein Genauigkeitsma? zu er?arbeiten.
Methode: Aufarbeitung sozial- und kulturwissenschaftlicher Modelle zur Weiter???gabe von Informa?tion zwischen dezentralen Einheiten, Unterschiede zwischen spon?tanem und zentra?lisiertem Infor?mationsaustausch, Theorien zum Gerücht, Zusammenhang zwischen Glaubwürdigkeit und Weiter?gabewahrscheinlichkeit; Entwicklung eines parametrisierten mathematischen Lastmodells.
Stand der Forschung: Das Gebiet der verteilten Systeme ist eines der zentralen Gebiete der Informatik, so dass die For?schung viele verschiedene Facetten auf?weist. Klassische Themen wie Vernetzung und Konzeption und Entwurf von ko?operierenden Anwendun?gen (Coulouris 2001) wer?den in algorith?mischer, struktu?reller und technischer Sicht erweitert. Algorithmen unter anderem für Onlinebear?beitung (Borodin 1998), für Datenmanagement in verteilten Um?gebungen (Di Ste?fano 2005, Bienkowski / Meyer auf der Heide 2005) oder für Ad hoc Kom?muni?ka??tion (Ilyas 2002) be?rück?sichtigen die spe?zifischen Anforderungen der r?umlich und zeitlich ver?teilten Aktivit?ten. In struktureller Hinsicht stellt der ?bergang von Client/Server zu Peer-to-Peer ba?sierten Architekturen einen Paradigmen?wechsel dar, der zu neu?ar